Korruption: Wo liegen die Millionen?

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Die Staatsanwaltschaft sieht „keine Indizien“ für Bestechung österreichischer Amtsträger, ermittelt derzeit aber „intensiv“ gegen Mensdorff-Pouilly und andere.

wien (ju).Während die österreichische Justiz jetzt zu klären versucht, inwieweit die Niederschlagung des Korruptionsverfahrens gegen den britischen Rüstungshersteller BAE in Großbritannien die weiteren Ermittlungen gegen dessen österreichischen „Agenten“ Alfons Mensdorff-Pouilly beeinflusst, rückt jetzt die Frage nach den Empfängern der mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit Militärbeschaffungsgeschäften in den Mittelpunkt des Interesses.

Wie in der Dienstagausgabe der „Presse“ ausführlich berichtet, haben ja Anwälte der britischen Antikorruptionsbehörde SFO (Serious Fraud Office) in London vor Gericht ausgesagt, BAE habe insgesamt 17 Mio. Pfund via Schweizer „Zweckgesellschaften“ an Mensdorff-Pouilly überwiesen. 70 Prozent dieser Summe sei auf österreichischen Konten gelandet. Zehn Mio. Pfund davon seien für eine „Bestechungskampagne in Österreich, Tschechien und Ungarn“ verwendet worden.

BAE habe mit dieser Summe das Kampfflugzeug „Gripen“ promotet (das Tschechien und Ungarn tatsächlich angeschafft haben), geschmiert worden seien „Politiker und Amtsträger“. Mensdorff hat diese Vorwürfe immer kategorisch bestritten, es gilt die Unschuldsvermutung.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, Gerhard Jarosch, sagte am Dienstag zur „Presse“, klar sei, dass das Geld nach Österreich geflossen ist. Unklar sei hingegen, „was mit dem Geld geschehen ist“. Die Ermittlungen seien in diesem Punkt schwierig, weil in solchen Fällen ja nicht „von Girokonto zu Girokonto überwiesen wird“. Nach britischen Angaben hat es von den betreffenden Konten im Umfeld von militärischen Beschaffungsvorgängen in den drei genannten Ländern jeweils „umfangreiche Barabhebungen“ gegeben.

Empfänger müssen zittern

Jarosch sagte, die Staatsanwaltschaft ermittle weiter „sehr intensiv“ in der Sache, derzeit gebe es aber nur Ermittlungen „gegen Mensdorff-Pouilly und weitere Personen“ auf der Geberseite. Gegen Empfänger werde zurzeit nicht ermittelt, die Staatsanwaltschaft habe auch „keine Indizien“, dass Geld an österreichische Amtsträger oder Politiker geflossen sei. Für derartige Vorgänge in Tschechien und Ungarn seien die dortigen Behörden zuständig.

Weiter unklar ist, ob das in London nach einer Abschlagszahlung von BAE (einer Art strafbefreiendem Schuldbekenntnis des Konzerns) über 288 Mio. Pfund an die britischen und amerikanischen Behörden eingestellte Verfahren gegen Mensdorff in Österreich weitergeführt werden kann. Oder ob hier das „Doppelbestrafungsverbot“ in der EU greift. In diesem Fall müssten die Ermittlungen gegen den „Waffengrafen“ eingestellt werden. Nicht jedoch jene gegen mögliche Empfänger der Millionen.

In Österreich hat die Möglichkeit, dass Mensdorff-Pouilly ohne weitere lästige Fragen davonkommen könnte, jedenfalls für politische Empörung gesorgt. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) kündigte eine Initiative für eine „EU-rechtliche Änderung“ dieser Bestimmungen an.

„Zwei Prozent Schmiergeld“

BAE ist nicht das erste Mal in das Fadenkreuz der Korruptionsfahnder gerückt. Ermittelt wurde in den vergangenen Jahren unter anderem wegen Millionenprovisionszahlungen an den chilenischen Exdiktator Pinochet und an Mitglieder der saudischen Königsfamilie jeweils in Zusammenhang mit Rüstungsgeschäften.

Der aktuelle, in Großbritannien jetzt per „Ablasshandel“ abgeschlossene Fall köchelt auch schon seit einigen Jahren dahin. Vor drei Jahren hat das schwedische Staatsfernsehen einen Bericht darüber gebracht – und dabei Experten zitiert, die erklärten, die Schmiergeldsätze bei Waffengeschäften lägen in der Regel zwischen zwei und vier Prozent der Auftragssumme.

„Das regelt unser Graf“

Zuletzt stand 1995 ein Waffenschmiergeldgeschäft im Zentrum eines Skandals: Im Parlament wurde ein Gespräch zwischen den Abgeordneten Hermann Kraft (ÖVP) und Peter Marizzi (SPÖ) mitgeschnitten, bei dem Kraft Marizzi zur Zustimmung einer Hubschrauberbeschaffung überreden wollte – und dabei den Vorschlag machte, die „Provision“ von 70 Mio. Schilling unter den Parteien zu teilen. Die Provision wäre von BAE gekommen. Auf die Frage Marizzis, wie das Geld nach Österreich komme, sagte Kraft damals, das würden BAE und „unser Graf“ schon erledigen

AUF EINEN BLICK

Die Empfänger der Millionenprovisionen, mit denen British Aerospace (BAE) seine Waffengeschäfte beschleunigt, bleiben weiter im Dunkeln. Die Staatsanwaltschaft hat „kein Indiz“, dass österreichische Amtsträger oder Politiker Geld für Waffenbeschaffungen genommen hätten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2010)

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