Merk's Wien

Kennen Sie den? Ironimus 90 Rückblick auf einen Karikaturisten

Ich bin zwar ein paar Jahre jünger, aber Gustav Peichls Zeichnungen begeistern mich immer noch.

Kennen Sie den? Diesmal ist kein Witz gemeint. Kennen Sie den? Gustav Peichl alias Ironimus wird neunzig. Nein, das ist wirklich kein Witz. Das ist Wahrheit. Ironimus, die längste Zeit Architekt und ebenso lange Karikaturist, wird sich demnächst – genauer: am 18. März – in die Reihe jener „Hochbetagten“ eingliedern, die laut Statistik immer mehr in den Pensionskassen erscheinen. Neunzigjährige sind keine Seltenheit mehr. Sie werden immer häufiger. Allein, es gibt da eine Ausnahme. Neunzigjährige Künstler gehören dazu. Und auch Karikaturisten sind Künstler. Es gibt eine ganze Reihe, die hochbetagt ihre Kunst leben.

Ich habe Gustav Peichl, der den Titel Diplomarchitekt trägt, als Freund gekannt, als die meisten, die in der demnächst erscheinenden Sonderbeilage der „Presse“ vertreten sind, nicht geboren, ja nicht einmal konzipiert waren. Wir waren beide im Lauf des Lebens und der Zeit auf verschiedenen Gebieten und mit zunehmendem Erfolg tätig, wobei er als Karikaturist zumindest so populär wurde wie als Entwerfer von Häusern. Und nicht zuletzt von Bürogebäuden, unter ihnen jene in den Landesmetropolen, wo er die ORF-Hauptquartiere schuf.

Als Ironimus ist Peichls Hauptaufgabe, die Menschen lachen zu machen, auch wenn die Zeitumstände möglicherweise durchaus ernst sind. In Wien, in Österreich, in Europa und in der Welt gibt es seit Jahren keinen Grund mehr, das Zwerchfell zu beanspruchen. Da ist keine Zeit für Heiterkeit, wirklich nicht. Bisweilen entpuppen sich Zwischentöne, die man als spaßig annehmen könnte, dann doch immer wieder als bitterer Ernst.

So geschieht es häufig mit Äußerungen des derzeitigen amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Was er sagt, lässt die meisten Zuhörer erstaunen und dann an den Kopf greifen. Was meinen Sohn auf dem Kennedy-Airport nach dem Passieren der Kontrolle erbittert hat, gilt auch für die Trump-Ära: „Die g'spritzten Ami haben alle an Schuss“, stieß der damals Sechzehnjährige wütend hervor. Die Abqualifikation des ersten Zusammentreffens mit den Auswüchsen des US-Beamtenstaats war für mich wichtig genug, es schon zu wiederholtem Male zu zitieren.

Was der Bub bei seinem ersten Kennenlernen der Beamteska der Vereinigten Staaten erkannt hat, lässt sich heute erdumspannend feststellen. Wir erleben einen überwältigenden Siegeszug amerikanischer Lebensart, die sich nicht zuletzt im Benehmen, in allen Sparten der Kultur zeigt, vor allem auch in der Sprache. Immer mehr angloamerikanische Ausdrücke sind geeignet, die gleichbedeutenden Wörter der deutschen Sprache zu ersetzen, obwohl dies absolut unnotwendig wäre. Aber auch darüber habe ich schon Klage geführt. Genützt hat es nicht.

Eine meiner ersten Auslandsreisen führte mich nach Teheran, und in der Journalistengruppe war auch Ironimus. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob er Stoff für jene Skizzen gefunden hat, die ihn nachher so bekannt und berühmt gemacht haben. Ich weiß nur, dass ich etliche Reportagen über diese Persien-Fahrt geschrieben habe – ob sie mit Ironimus-Zeichnungen bebildert worden sind, erinnere ich mich nicht. Es war jedenfalls der Anfang unserer nun viele Jahre dauernden Freundschaft. Kennen Sie den? Ich werde, so Gott will, in ein paar Jährchen auchneunzig sein. Ironimus ist mir voraus. Ich kann ihn nicht einholen.

Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.


E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2018)

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