Chinas roter Absolutismus

CHINA-POLITICS
Der neue Mao: Xi Jinping zementiert nicht nur intern seine Macht – er hat auch ehrgeizige Visionen für Chinas Rolle als Weltmacht.(c) APA/AFP/WANG ZHAO
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Der Nationale Volkskongress gibt Staats- und Parteichef Xi Jinping alle Macht. Er darf bis zum Lebensende Präsident bleiben. Seine Leitideen erhalten Verfassungsrang. Für das Regime bedeutet das Stabilität. Für den Rest der Welt ein stärkeres China.

Peking. Xi Jinping hat es also vollbracht: Er ist Staatschef auf Lebenszeit. Der Nationale Volkskongress hat am Sonntag mit überwältigender Mehrheit für die Verfassungsänderung gestimmt: Das chinesische Scheinparlament hebt die bislang gültige Amtszeitbegrenzung des Präsidenten auf zweimal fünf Jahre auf. Von den 2965Abgeordneten stimmten in der Großen Halle des Volkes nur zwei dagegen, drei enthielten sich. Mit diesem Beschluss darf Xi so lang Staatsführer der Volksrepublik bleiben, wie er will.

Doch damit nicht genug: Um China und der Welt zu zeigen, dass Xi nicht irgendein Präsident ist, hat der Volkskongress zudem sein „Gedankengut für das neue Zeitalter des Sozialismus chinesischer Prägung“ in die Präambel der Staatsverfassung aufgenommen. Konkret heißt das: Jegliche Kritik an Xi ist in der Volksrepublik China ab sofort verfassungsfeindlich.

 

„Absolute politische Kontrolle“

Und noch ein Machtinstrument gaben die Delegierten ihrem Chef in die Hand: Künftig kann die Führung nicht nur Parteimitglieder, sondern auch sämtliche Staatsbedienstete nach Gutdünken bestrafen lassen. Um die reguläre Justiz muss sie sich nicht mehr scheren. China-Experte Gordon Chang spricht von einem „Werkzeug, um die absolute politische Kontrolle abzusichern“.

Mit dieser Verfassungsänderung verabschiedet sich Chinas Kommunistische Partei endgültig vom System der Kollektiven Führung, das im bevölkerungsreichsten Land der Welt fast 40 Jahre gegolten hat. Nach den blutigen Jahren der Diktatur unter Mao Tse-tung hat sein Nachfolger, der große Reformer Deng Xiaoping, dafür sorgen wollen, dass das Riesenreich nie wieder Spielball der Launen von einer Person wird. Mao hat das Land über ideologisch aufgeladene Kampagnen mehrfach ins Chaos gestürzt. Es hat viele Millionen Todesopfer gegeben.

Unter Deng hatte die Kommunistische Partei zwar auch weiterhin das Sagen, aber alles bestimmen sollte der Staats- und Parteichef nicht. Die Macht war auf Vertreter unterschiedlicher Fraktionen verteilt. Vor allem sollte es einen fließenden Übergang von einem Staatschef auf den nächsten geben. Bereits nach der ersten Amtszeit von fünf Jahren sollte ein Nachfolger aufgebaut werden. Dieses fein tarierte System ist mit dem Beschluss von Sonntag aufgehoben.

Dabei wäre Xis Präsidentschaft auf Lebenszeit gar nicht nötig gewesen. Der mächtigste Posten in China ist nicht das Präsidentenamt, sondern der Parteivorsitz. Und dieses Amt kennt keine Zeitbegrenzung. An zweiter Stelle kommt der Vorsitz der Militärkommission, die den Oberbefehl über die Volksbefreiungsarmee hat. Sie ist mit zwei Millionen Soldaten die größte Armee der Welt. Auch dieses Amt ist zeitlich nicht befristet. Beide Posten hat Xi bereits auf sich vereint. Xis Vorvorgänger, Jiang Zemin, blieb auch jahrelang Oberbefehlshaber der Volksbefreiungsarmee, obwohl er das Präsidentenamt nicht mehr bekleidete. Deng hatte nach Mao gar kein Staatsamt und war dennoch bis zu seinem Tod der unangefochtene Führer Chinas. Xi hätte nach seiner zweiten Amtszeit auch nach bisheriger Regelung aus dem Hintergrund die Fäden ziehen können.

 

„Chinesische Lösung“ für das Ausland

Über die Gründe, warum Xi diese Verfassungsänderung dennoch durchgesetzt hat, lässt sich nur spekulieren. Stimmen in Peking vermuten, Xi habe sich mit seiner Antikorruptionskampagne der letzten Jahre zu viele Feinde gemacht. Tausende bis vor Kurzem noch ranghohe Parteifunktionäre, Generäle und Spitzenbeamte hat er wegen angeblicher Korruption in Haft nehmen lassen, darunter auch viele seiner innerparteilichen Widersacher. Würde er nicht auf allen Ebenen seine Macht zementieren, könnte es auch ihn nach seiner zweiten Amtszeit treffen: Sturz, Gefängnis und Haftstrafe.

Staatsmedien begrüßen die Aufhebung von Xis Amtszeitbegrenzung. Sie bringe dem Land Stabilität und garantiere, dass Xis Kurs über das nächste Jahrzehnt fortgeführt werde, heißt es in der Volkszeitung. „Das Land braucht eine konsistente Führung.“

Nur das Land? Xi habe viel weiter reichende Visionen, befürchtet China-Kenner Richard McGregor. Aus Xis Rhetorik hört er große Zukunftspläne heraus. Chinas Staatschef empfehle immer offener die „chinesische Lösung“ auch für die Probleme anderer Länder. Ob Finanzkrisen oder politische Turbulenzen – wer sich an seinem Modell orientiere, könne seine Schwierigkeiten in den Griff bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2018)


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