Bundesheer? „Keine Landesverteidigung mehr“

Bundesheer? „Keine Landesverteidigung mehr“
Bundesheer? „Keine Landesverteidigung mehr“(c) AP (Helmut Stamberg)
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Baufällige Kasernen, kaputte Panzer, mangelhafte Ausrüstung, ein „unglücklicher“ Minister – was läuft schief im Heer? „Die Presse“ fragte fünf frühere Verteidigungsminister.

Wien. „Das ist ja, als würde man einen Zuckerkranken zum Konditor machen“: Ex-(Stahlhelm-)Minister Robert Lichal (ÖVP) ist nach wie vor ein Freund kräftiger Worte. Der jetzige Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) wirke „persönlich total unglücklich“ und habe ganz offensichtlich keinen mentalen Zugang zur militärischen Landesverteidigung.

„Er weiß, dass er fehl am Platz ist, darum tritt er lieber als Sportminister in Erscheinung.“ Das Ressort wirke führerlos, es fehle eine politische Linie, meint Lichal, der Ende der Achtzigerjahre den Draken-Kauf auch gegen schwere innerparteiliche Kritik (aus der Steiermark) zu verteidigen hatte.

Dass Milizsystem und allgemeine Wehrpflicht zwar in der Bundesverfassung verankert sind, aber nicht mehr gelebt werden, schmerzt ihn. Eigentlich sei ja die auf sechs Monate verkürzte Ausbildung für Grundwehrdiener nur mit immer wiederkehrenden Übungen sinnvoll. Dass diese nicht mehr stattfinden, hält Lichal für einen schweren Fehler. „Ich bin für eine Renaissance des Milizsystems.“ Auch die Wehrpflicht sei ausgehöhlt worden: Zivildienst sei nicht mehr Wehrersatzdienst, sondern in Wahrheit Alternativdienst. „Man kann es sich aussuchen.“ Es sei außerdem ein „Verbrechen an den Ressortangehörigen“, dass man ihnen nicht mehr das Gefühl gebe, etwas Wichtiges zu leisten. Die zum Teil desolaten Kasernen, die die Volksanwaltschaft kürzlich kritisierte, seien daher gar nicht das Hauptproblem im Heer.

Werner Fasslabend, ÖVP-Verteidigungsminister von 1990 bis 2000,ist vorsichtiger, stößt aber in dasselbe Horn: „Von den meisten wird eine starke Führung vermisst.“ Das Heer müsse sich umorientieren. Terrorprävention im Inland sei noch wichtiger geworden. Und was die europäische Verteidigungspolitik betrifft, könnte Österreich ruhig aktiver Vorschläge einbringen und mehr Initiative zeigen. Ob denn ein kleines Land wie Österreich da überhaupt ernst genommen werde? Ganz sicher, er selbst habe in seiner Zeit bei den Treffen der europäischen Verteidigungsminister schon das Gefühl gehabt, sagt Fasslabend.

Friedhelm Frischenschlager, FPÖ-Verteidigungsminister in der rot-blauen Koalition von 1983 bis 1986, führt die Kalamitäten beim Heer vor allem darauf zurück, dass die politischen Vorgaben unklar formuliert sind. „Wir haben heute eine völlig veränderte sicherheitspolitische Situation.“ „Es bedarf eigentlich keiner herkömmlichen Landesverteidigung mehr, man sollte sich auf internationale Aufgaben im Rahmen des europäischen Sicherheitssystems konzentrieren“, meint der heutige LIF-Politiker.

Genau daraus würden auch die aktuellen Probleme resultieren. „Diese Kasernen-Geschichte verstehe ich ja überhaupt nicht“, sagt Frischenschlager. Viele Standorte müssten längst aufgelassen sein. Das Heer müsste reduziert werden– auf eine kleinere schlagkräftige Truppe. Die grundsätzlich richtige Heeresreform sei nicht richtig durchgezogen worden. „Und man muss sich schon fragen, ob die allgemeine Wehrpflicht überhaupt noch eine Gegenwart hat, von einer Zukunft wollen wir gar nicht reden.“ Frischenschlager plädiert für ein Freiwilligenheer.

„Das interessiert Darabos nicht“

Ein „Aussetzen“ der Wehrpflicht wünscht sich der frühere freiheitliche Verteidigungsminister Herbert Scheibner. Stattdessen sollte es ein Mischsystem aus Berufssoldaten und einer Freiwilligenmiliz geben. „Die Landesverteidigung wird leider nicht ernst genug genommen“, beklagt der BZÖ-Mandatar. „Politisch populär ist das natürlich nicht.“ Als Politiker müsste man dennoch auf diese Notwendigkeiten, die bereits in der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin2001 festgehalten seien, hinweisen. „Darabos ist sicher ein guter Sportminister, aber die Landesverteidigung interessiert ihn einfach nicht.“

Eine auf sechs Monate verkürzte Wehrpflicht sei reine Geldverschwendung, so Scheibner. Es gebe auch keinen konkret formulierten Auftrag für die Miliz mehr. „Und Einsätze wie jener im Tschad sind zwar richtig und gut, aber es ist völlig unverständlich, dass dies nicht zusätzlich budgetiert wurde.“

Für Norbert Darabos' direkten Vorgänger als Verteidigungsminister, Günther Platter (ÖVP), führt das Heer derzeit ein „Stiefkinddasein“. Eine „seriöse Politik“ hätte dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Mittel sichergestellt werden, da das Heer einen „enormen Einsatz für Gesellschaft und Bevölkerung“ leiste, so der nunmehrige Tiroler Landeshauptmann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11. Februar 2010)

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