Gott ist ein Linker!

In Österreich sitzen organisierte Rechtsextreme im Parlament.

Wer an Gott glaubt, hat ein Problem weniger. Caritas-Präsident Franz Küberl glaubt an Gott. Und er erklärt im „Falter“, wo dieser steht: „Wenn Konservative und Rechte sagen würden, es gehe ihnen um alle Menschen, egal, ob In- oder Ausländer, dann braucht Gott kein Linker mehr zu sein.“ Konservative und Rechte sagen aber anderes. Gott muss also ein Linker sein! Hoffentlich hilft er, denn Arbeitslosigkeit und Armut werden 2010 zunehmen. Und Küberl weiß: Die Politik tut zu wenig dagegen. Das verwundert nicht. Denn in Österreich haben in der Politik Rechte und Konservative das Sagen. Und zunehmend die Rechtsextremen.

Oliver Pink sieht das wohl nicht so. Er beruhigt in diesen rechten Zeiten. Es breche nicht gleich der Faschismus aus, wenn am Ballhausplatz wie beim „Burschenschafter-Ball“ der Rechtswalzer getanzt werde. Das halte die Republik aus. Richtig. Auch einen Martin Graf hält sie aus. Und unsere Asylpolitik. Das marode Bildungssystem. Das System Grasser. Das rot-schwarze Proporzsystem. In Summe zwar ein bisschen viel, aber der Faschismus bricht nicht aus.

Eine Provokation mehr

Ist deshalb aber alles auch gleich zu rechtfertigen? Gibt es keine politische Hemmschwelle unterhalb des Faschismus?

Über unsere in den letzten zehn Jahren deutlich nach rechts gedriftete Gesellschaft muss man diskutieren: Wie halten das Christlichsoziale und Sozialdemokraten aus, wenn die Unter- und die Mittelschicht fast die gesamte Steuerlast zu tragen haben und jetzt auch noch für die Kosten der Krise aufkommen sollen, während sich die Reichen und Superreichen über einzigartige Steuerprivilegien freuen? Zumindest bei der Rettung „systemrelevanter“ Banken wie der Hypo-Alpe-Adria hätte man wohl vor allem die Profiteure des Systems zur Kassa bitten müssen! Wie verträgt es unsere Gesellschaft, wenn wir Asylwerber unter Generalverdacht stellen und allen Ernstes darüber diskutieren, ob sie sicherheitshalber nicht erst einmal eingesperrt werden sollten? Wenn ein humanitäres Bleiberecht für eine voll integrierte junge Frau wie Arigona Zogaj zum nationalen Problem hochstilisiert wird?

Und dann wäre da auch noch das Treiben der Rechtsextremen in höchsten Staatsämtern. Im Staatsschutzbericht 1999 hieß es noch unzweideutig, dass von mehreren österreichischen Burschenschaften „ein unterschwelliger und verklausulierter Rechtsextremismus ausgeht“. Nach der Wende war es vorbei mit dieser Deutlichkeit. Heute ist mit Martin Graf dank SPÖVP ein Mitglied so einer Burschenschaft 3. Nationalratspräsident und tanzen Rechtsextreme in die Hofburg. Graf schätzt den Nazi Norbert Burger über dessen Tod hinaus, seine „Olympia“ hat immer Rechtsextremisten, Revisionisten und Neonazis zu Gast. Graf fordert, dass sich „das deutsche Volkstum“ „frei in Europa entfalten“ müsse, fragt öffentlich, ob „Herr Muzicant“ nicht „als Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus bezeichnet werden sollte“, hält das NS-Verbotsgesetz für „menschenrechtswidrig“. Nur Barbara Prammer findet dafür deutliche Worte, Josef Cap hingegen fügt seinen grundsatzbefreiten verbalen Peinlichkeiten weitere hinzu. Die ÖVP warnt gebetsmühlenartig vor einer „Anlassgesetzgebung“. Als ob es je Gesetze ohne Anlass gegeben hätte. Und Graf hat nun wirklich genug Anlass gegeben.

Die letzten Jahre waren gekennzeichnet von Sozialabbau, Missachtung des Asylrechts, fehlender Integrationspolitik, bewusst geschürter Islamo- und vor allem Turkophobie. Die Republik ist deutlich nach rechts marschiert. Nicht einmal mehr Bundespräsident Heinz Fischer ist heute in der Lage, eine Regierungsbeteiligung der FPÖ klar und deutlich zumindest „derzeit“ auszuschließen.

In Österreich sitzen organisierte Rechtsextreme im Parlament. Das ist auch in anderen Ländern der Fall. Dort ist aber sowohl bei Konservativen als auch bei Sozialdemokraten eines klar: Es gibt einen Cordon sanitaire gegenüber rechtsaußen – egal, ob es sich um Front National, Vlaams Belang, British National Party oder die NPD handelt: Bündnisse mit diesen Parteien haben alle demokratischen Kräfte in Frankreich, Belgien, Großbritannien oder Deutschland ausgeschlossen. Und sie waren damit erfolgreich. In Österreich ist das anders. Schüssels politischer Tabubruch hat 2000 den Rechtsextremismus salonfähig gemacht, Gesellschaft und Politik weit nach rechts driften lassen. Sogar in der SPÖ wird darüber diskutiert, ob die „Ausgrenzung“ der FPÖ nicht kontraproduktiv sei: Das rosarote Kaninchen schaut gebannt auf die braun-blaue Schlange.

Was bleibt? Wenn die Grünen aufstehen, Haltung zeigen und die rechten Dinge beim braunen Namen nennen, zücken Pink & Co. die Rote Karte. Nein, Herr Pink. Wenn Rechtsextreme in der Hofburg tanzen und Demonstrationen dagegen verboten werden, ist es Zeit, aufzustehen. ÖVP und (nicht nur die Burgenland-) SPÖ versuchen bereits, die FPÖ rechts zu überholen – etwa in der Asyl- und Integrationsdebatte. Und wir Grüne sind diesbezüglich zwar klar und deutlich, in die „Mitte der Gesellschaft“ schaffen wir es aber nicht. Zu wohl fühlen wir uns im eigenen Milieu und sind daher noch nicht in der Lage, für verstörte Schwarze und enttäuschte Rote als Alternative wahrgenommen zu werden. Es wird zwar noch ein hartes Stück Arbeit, aber auch wir müssen heraus aus den bildungsbürgerlichen Diskussionszirkeln.

Franz Küberl, Caritas und Diakonie sind da schon weiter: Gott ist ein Linker. Aber Österreich tanzt halt immer noch Rechtswalzer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2010)

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