Generalsekretär Karl Nehammer will trotz VfGH-Urteil bei der bisherigen ÖVP-Linie bleiben. Vorarlberg oder Oberösterreich könnten Vorbild für ganz Österreich werden.
Wien. Auch nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs, das das niederösterreichische Mindestsicherungsgesetz aufgehoben hat, beharrt die ÖVP auf einer bundeseinheitlichen Regelung nach genau diesem Vorbild. „Das Urteil ist zu akzeptieren“, sagt ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer im Gespräch mit der „Presse“. Allerdings gelte es weiterhin, eine Regelung zu finden, die denjenigen hilft, „die wollen, aber nicht können, nicht denjenigen, die können, aber nicht wollen“.
Die Grundlinien der ÖVP beim Thema Mindestsicherung bleiben die gleichen: Es müsse „soziale Gerechtigkeit“ hergestellt werden zwischen jenen, die arbeiten, und jenen, die Sozialhilfe beziehen. Und es müsse einen Unterschied geben zwischen jenen, die schon länger ins Sozialsystem eingezahlt haben, und jenen, die neu nach Österreich gekommen sind.
Genau das war auch der Hintergrund für das niederösterreichische Gesetz: Dieses hat – so wie die Landesgesetze in Oberösterreich und im Burgenland – einen Deckel für Familien eingezogen: Diese bekommen maximal 1500 Euro, egal, wie viele Personen im Haushalt leben. Und es sieht für Personen, die nicht mindestens fünf der letzten sechs Jahre in Österreich gelebt haben, eine niedrigere Leistung vor.
Beide Bestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Den Deckel, weil es nicht sachgerecht sei, wenn es bei größeren Familien keine Abgeltung des Mehraufwandes gibt. Und auch die Kürzung bei Asylberechtigten sei nicht verfassungskonform, da diese nicht freiwillig in Österreich seien, sondern aufgrund der Entwicklungen in ihren Herkunftsländern.
„Eine Herausforderung“
Wie also soll nach diesem Höchstgerichtsurteil eine ähnliche Regelung aussehen? Für Nehammer ist das eine Aufgabe, der die Regierungskoordinatoren in den kommenden Monaten nachkommen werden. „Das ist sicher eine Herausforderung“, gibt Nehammer zu. Die Koordinatoren werden sich zwei Modelle ansehen, bei denen es ebenfalls eine Änderung der Mindestsicherung gegeben hat: Jenes in Oberösterreich und jenes in Vorarlberg.
Oberösterreich hat neben einem Deckel für Familien auch eine niedrigere Mindestsicherung für Asylberechtigte – und zwar mit der Begründung, dass Asyl zeitlich befristet sei und es damit keine Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern geben müsse. Ob diese Regelung rechtlich hält, ist fraglich: Das Landesverwaltungsgericht, das das Gesetz offenkundig für rechtswidrig hält, hat den Europäischen Gerichtshof um eine Klärung der Rechtsfrage gebeten. Die ÖVP-FPÖ-Koalition in der oberösterreichischen Landesregierung geht dagegen davon aus, dass das Gesetz halten wird: Es sei flexibler ausgelegt als die Bestimmungen in Niederösterreich, man könne daher auf den Einzelfall Rücksicht nehmen.
Vorarlberger Modell
Bereits vom Verfassungsgerichtshof bestätigt wurde dagegen das Vorarlberger Modell, das die schwarz-grüne Landesregierung mit Juli des Vorjahres eingeführt hat. Dieses sieht keinen generellen Deckel vor, wohl aber Einsparungen bei den Wohnkosten und eine teilweise Umstellung auf Sachleistungen.
Für anerkannte Flüchtlinge gibt es keine generelle Kürzung, wohl aber müssen diese eine „Integrationsvereinbarung“ unterschreiben. Wenn sie sich nicht an bestimmte Auflagen halten, wie zum Beispiel den Besuch von Deutsch- und Wertekursen, kann die Mindestsicherung gekürzt werden, was auch schon vorgekommen ist.
Das Vorarlberger Modell hätte auch eine gewisse Akzeptanz: Selbst der frühere SPÖ-Sozialminister Alois Stöger schlägt vor, das dieses auf Österreich umzulegen: Die Regelung sei sozial verträglich, bringe aber auch klare Verpflichtungen, Spielregeln und Sanktion.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2018)