Der letzte Holzfaserproduzent der westlichen Welt sitzt in Oberösterreich und vermeldet das beste Geschäftsjahr seiner 80-jährigen Geschichte. Die Freude über Trumps Steuergeschenke überwiegt aktuell die Angst vor Protektionismus.
Wien. Zellulosefasern hat Donald Trump zwar nicht mit Strafzöllen belegt. Trotzdem ist man beim Faserkonzern Lenzing nicht glücklich über das Faible des US-Präsidenten für Protektionismus: „Das ist für die gesamte Welt schlecht und ein Unsicherheitsfaktor“, sagte Lenzing-Boss Stefan Doboczky am gestrigen Mittwoch bei der Bilanzpressekonferenz. „Importzölle helfen uns überhaupt nicht.“
Geschadet hat der neue Stil im Weißen Haus dem Börsenkonzern bislang aber auch nicht. Im Gegenteil: Die US-Regierung senkte die Körperschaftsteuer für Unternehmen von 35 auf 21 Prozent. Sehr zur Freude der Lenzing-Führung: „Die Steuersenkung nehmen wir natürlich mit Handkuss mit“, so Finanzvorstand Thomas Obendrauf. Sie passt gut zur Expansionsstrategie des Unternehmens: Lenzing produziert in Mobile, Alabama, Lyocell-Fasern aus Holz. Neben das bestehende Werk wird um umgerechnet 275 Millionen Euro ein zweites gebaut, das nächstes Jahr in Betrieb gehen soll. Mit der Steuerreform habe das nichts zu tun. Die Entscheidung für das Werk sei schon früher gefallen. Der Konzern investiert aber auch sonst kräftig: Geplant ist ein Faserwerk in Thailand, in Arbeit ist der Ausbau der Anlage im burgenländischen Heiligenkreuz. Mindestens 100 Mio. Euro sollen heuer in Österreich investiert werden.
Lenzing schwimmt in Geld. Das Unternehmen hat kaum Schulden und verkündete am gestrigen Mittwoch das beste Jahr in der 80-jährigen Unternehmensgeschichte. Der Umsatz stieg um 5,9 Prozent auf 2,26 Mrd. Euro, der Gewinn kletterte sogar um 23 Prozent auf 282 Mio. Euro. Der Grund seien höhere Preise und ein „besserer Produktmix“.
Die Aktionäre dürfen sich über eine Dividende von fünf Euro je Aktie freuen. Dass das Papier am Mittwoch trotzdem im Minus war, lag wohl am Ausblick: 2018 werde „unter den hervorragenden vergangenen beiden Jahren liegen“, so Doboczky. Das heurige Jahr werde herausfordernder – wegen des starken Euro, des Preisdrucks bei Viskose und höherer Preise für Schlüsselrohstoffe wie Natronlauge.
Auch die Zunahme protektionistischer Tendenzen beobachtet man bei Lenzing genau. Trumps Strafzölle treffen das Unternehmen nicht direkt. Aber Lenzing exportiert von den USA aus nach Asien, wo zwei Drittel der Fasern verarbeitet werden, davon wiederum die Hälfte in China. Sollte Trump auch China mit Strafzöllen belegen und Peking mit Handelsschranken reagieren, würde das Lenzing als Exporteur schaden. Lenzing ist der letzte verbliebene Holzfaserproduzent in der westlichen Welt. Die Konkurrenz sitzt in China, Indien und Indonesien.
Spezialfasern statt klassischer Viskose
Lenzing mit Sitz in der gleichnamigen Gemeinde in Oberösterreich ist der weltgrößte Produzent von Zellulosefasern. Die finden sich in Jeans, Unterwäsche, Sportbekleidung und Putztüchern – und in Vliesprodukten wie Feuchttüchern für Babys, Slipeinlagen und Netzen zur Verpackung von Bioobst und -gemüse. Das Hauptgeschäft der Unternehmensgruppe, die fast 6500 Mitarbeiter beschäftigt, ist die klassische Viskose. Aber Lenzing erwirtschaftet bereits 42 Prozent seines Umsatzes mit Spezialfasern wie Modal und Lyocell. Der Anteil soll bis 2020 auf 50 Prozent steigen, weil Spezialfasern höhere Margen bringen.
Zu seinen Kunden zählt Lenzing fast alle großen Textilmarken, darunter die spanische Zara-Mutter, Inditex, den größten Modekonzern der Welt. Zara verkauft seit dem Vorjahr Tops und Pullover aus der Spezialfaser Refibra, die Lenzing aus Stoffresten herstellt. In allen neuen Werken des Konzerns werden Spezialfasern produziert. Um die Nachfrage zu steigern, will das Unternehmen sichtbarer für den Endkunden werden. In Filialen des deutschen Sportartikelherstellers Schöffel sind deshalb Lenzing-Fasern platziert. Die Strategie soll ausgebaut werden.
Im Zuge der Expansion stockt Lenzing auch bei den Mitarbeitern auf. Um wie viel, das lasse sich laut einer Sprecherin noch nicht genau beziffern. Auch in Österreich, wo Lenzing 3160 Beschäftigte zählt, werden laufend neue Mitarbeiter eingestellt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2018)