Leitartikel

Putins Russland und der Westen: Von schlecht zu noch schlechter

Der britisch-russische Schlagabtausch im Gefolge der Skripal-Vergiftung zieht immer weitere Kreise. Was aber bringt Putin seine destruktive Westpolitik?

Schuld sind immer die anderen: Was immer Putins Russland von der internationalen Gemeinschaft zuletzt an Sünden vorgeworfen wurde und wird – seine aggressive, neoimperiale Außen- und Nachbarschaftspolitik, die verdeckte Einmischung in die Wahlprozesse westlicher Staaten, das Säen von Unfrieden zur Spaltung der westlichen Gesellschaften, heimliche Förderung von rechten und linken populistischen Parteien und Bewegungen, staatlich gefördertes Doping, um sportlich international zu reüssieren, und aktuell der Einsatz eines aus der Sowjetära stammenden Nervengifts zur Ausschaltung eines in Großbritannien lebenden früheren russischen Doppelagenten –, alles nicht wahr. Alles nur eine Verschwörung des bösen Westens, um Putin und Russland zu schaden.

Und augenblicklich geht Moskau zum Gegenangriff über, hält dem Westen ebenfalls ein langes Sündenregister vor – von der Förderung von Demokratiebewegungen zur Unterminierung von Regimen in der postsowjetischen Welt bis zur Entfachung von Umsturzbewegungen in der arabischen Welt, Nato- sowie EU-Osterweiterung und ungerechtfertigte Sanktionen. Der Kreml beherrscht auch zynische Ausweichmanöver prächtig – könnten nicht die Briten selbst Sergej Skripal und seine Tochter in Salisbury vergiftet haben? Na klar, um Russland zu schaden.

Klar ist: Wladimir Putin kann der jetzige britisch-russische Schlagabtausch, der auch immer weitere internationale Kreise zieht, für die bevorstehende Präsidentenwahl am Sonntag nur nützen. Da brauchte es nicht einmal die überwältigende russische Propagandamaschine, um die Wählerschaft im Land jetzt zusätzlich zu mobilisieren. Putin ist populär, und wenn er und sein Regime von außen an den Pranger gestellt werden, vereinigt sich die Bevölkerung hinter ihnen. Das ist ja auch in anderen Ländern so.

Dabei stand nie in Zweifel, dass Putin diese „Wahl“ haushoch gewinnen wird, zumal die zugelassenen Kandidatinnen und Kandidaten vom Kreml handverlesen wurden und Bewerber wie Alexej Nawalny, die das angestrebte Traumergebnis hätten trüben können, zum Urnengang gleich gar nicht zugelassen wurden. Ohnehin interessiert alle politischen Beobachter nicht, was am 18. März herauskommen wird, sondern, was 2024 geschehen wird, wenn Putin nach jetziger gesetzlicher Lage nicht mehr antreten kann. Oder Putin macht es wie Xi Jinping in China und eröffnet sich per Verfassungsänderung durch das Scheinparlament Duma eine lebenslange Herrschaftszeit. Alles ist möglich im Russland Wladimir Putins.

Das Verhältnis Russlands zum Westen sinkt nach den Vorfällen in Großbritannien auf der Beziehungsskala von schlecht zu noch schlechter. Seinem potenziellen Sympathisanten Donald Trump in den USA wurden – gerade wegen der beispiellosen russischen Einmischung in den amerikanischen Wahlprozess – vom Kongress die Hände gebunden, der Präsident kann keine Russland-Politik im Alleingang machen. Putins Freunde in der EU – Ungarn, Griechenland, Italien, die FPÖ – können eine gemeinsame, schärfere Politik gegenüber Russland zwar blockieren, aber die anderen EU-Länder sicher auf keinen moskaufreundlichen Kurs bringen.


Der letzte US-Verteidigungsminister der Obama-Regierung, Ashton Carter, formulierte vor Kurzem: „Putin definiert die Interessen Russlands in Opposition zur westlichen Politik und mit dem Ziel, diese zu hintertreiben. Da ist es dann schwer, Brücken zu bauen. Das macht es eigentlich unmöglich, mit Russland zum gegenseitigen Nutzen zusammenzuarbeiten.“

Nur, was bringt Putin seine destruktive Politik gegenüber dem Westen? Was hat er von einer intern zerstrittenen EU, was bringt das Russland wirtschaftlich? Nützen Russland die zusätzliche Verschlechterung seines internationalen Rufs und die weitere Isolierung des Landes im Gefolge der Skripal-Vergiftung irgendetwas? Inzwischen 18 Jahre an der Macht, glaubt Putin offenkundig an den Erfolg dieser Politik. Er wird sie auch in den nächsten Jahren nicht ändern. Es bleibt ungemütlich mit Putins Russland.

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2018)

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