Hemayat-Kinder-Traumatherapie: "Ein elendes Jonglieren"

Symbolbild
SymbolbildReuters
  • Drucken

Seit zehn Jahren bietet die Betreuungseinrichtung Hemayat auch für traumatisierte Kinder Therapien an. 88 Akutfälle stehen derzeit auf der Warteliste.

"In Wirklichkeit ist es ein elendes Jonglieren." Mit diesen Worten schilderte Hemayat-Geschäftsführerin Cecilia Heiss die aktuelle Situation des Betreuungszentrums für Menschen, die Krieg, Folter und Flucht überlebt haben, wenn es um Traumatherapie-Plätze für Kinder und Jugendliche geht. 88 Minderjährige stehen derzeit auf der Warteliste der Einrichtung in Wien.

Manche von ihnen werden erst in einem Jahr einen Therapieplatz bekommen. "Alles spielt sich im 'Dringend-Bereich' ab. Es gibt ein System von ein bis drei Rufzeichen auf der Liste", sagte Heiss am Donnerstag bei einer Pressekonferenz anlässlich des zehnjährigen Bestehens von Traumatherapien für Kinder und Jugendliche innerhalb der Einrichtung. Vorrang wird jenen Buben und Mädchen eingeräumt, bei denen die Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährdung besteht.

2017 waren 237 der insgesamt 1309 Klienten aus 51 Ländern minderjährig - so viele wie noch nie. Die meisten Menschen stammten aus Afghanistan, Tschetschenien, Syrien, dem Irak und dem Iran. Obwohl die Zahl der Flüchtlingsankünfte zurückging, sei der Bedarf an Traumatherapie gestiegen. Kinder- und Jugendtherapeutin Sonja Brauner warnte vor einem Trugschluss: "Man meint, in Österreich müsse alles gut sein. Trotzdem werden die Kinder plötzlich auffällig." Auch die Annahme, dass Kinder von Krieg und Flucht ohnehin nicht wirklich etwas mitbekommen, sei falsch.

Suizid-Versuch mit acht Jahren

Der Körper vergisst nichts, dafür sorgen die Synapsen im Gehirn, wie Brauner erläuterte. Zu den Folgen traumatischer Ereignisse gehören unter anderem Alpträume, Angst und Wut, die sich in aggressivem Verhalten, sozialem Rückzug oder Depression äußern können. Der jüngste Klient, der nach einem Suizid-Versuch bei Hemayat betreut wurde, war acht Jahre alt. "Traumatisierte Kinder schaffen gewisse Entwicklungsschritte ohne Unterstützung nicht", erklärte Brauner. Oft bräuchte es nur wenig Unterstützung, die aber möglichst bald. "Chronifiziert ist ein Trauma schwerer zu behandeln."

Fünf Therapeutinnen beschäftigen sich derzeit mit Kindern und Jugendlichen. Wo es notwendig ist, wird in den Therapiestunden gedolmetscht. Dass es nicht allein um Sprachverständnis geht, schilderte Brauner an einem Beispiel: Ein ängstlicher Dreijähriger aus dem Iran protestierte beim Spielen mit der Therapeutin vehement gegen ihren - bei österreichischen Kindern generell akzeptierten - Vorschlag, die "Bösen" ins Playmobil-Gefängnis zu verbannen. Denn im Gefängnis seien ja gute Menschen wie sein Papa, argumentierte der Kleine. Sein Vater war als Oppositionspolitiker vor seiner Flucht inhaftiert, die Familie wusste lange Zeit nicht, ob er am Leben sei.

70.000 Euro für 88 Patienten 

Kinder- und Jugendtherapien haben 2017 etwa 180.000 Euro im Hemayat-Budget ausgemacht. Um die 88 wartenden Mädchen und Burschen zu behandeln, wären bei einem angenommenen Therapiebedarf von zehn Stunden zusätzliche 70.000 Euro notwendig, heißt es seitens des 1995 gegründeten gemeinnützigen Vereins, der sich zum überwiegenden Teil aus privaten Zuwendungen finanziert. 35 Prozent des Budgets stammen aus Mitteln der öffentlichen Hand, allen voran das Innenministerium.

Sonja Brauner hat über ihre Arbeit ein Buch unter dem Titel "Traumatisierte Kinder" geschrieben, das erst jüngst veröffentlicht wurde. Es enthält neben Fallbeispielen - auch das des kleinen Iraners - und Behandlungsmethoden auch Kontaktdaten für Hilfsangebote und ist für angehende Kinderpädagogen, Träger von Betreuungseinrichtungen und andere Interessierte gedacht.

Nähere Informationen zur Betreuungseinrichtung unter www.hemayat.org; Sonja Brauners Buch "Traumatisierte Kinder - Ein Theorie- und Praxisbuch für den pädagogischen Alltag", 110 Seiten, ist im Verlag Carl Link in der Reihe "KiTa aktuell" erschienen.

>> Leben mit dem Kriegstrauma: "Schrittweise Heilung ist möglich"

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.