Eine eigene Bildsprache entwickeln

Neben theoretischem Überbau werden an der Graphischen auch ganz konkrete Kenntnisse wie Food-Fotografie im Studio vermittelt.
Neben theoretischem Überbau werden an der Graphischen auch ganz konkrete Kenntnisse wie Food-Fotografie im Studio vermittelt.Adsy Bernart/Graphische
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Ob ernsthafter Berufseinstieg oder nur professionelles Know-how für bessere private Aufnahmen – eine Reihe an Ausbildungsformaten von nicht allzu langer Dauer helfen fotografisch begabten Erwachsenen auf die Sprünge.

Wenn die World Photography Organisation in einigen Tagen die Gewinner des jährlich stattfindenden weltgrößten Fotowettbewerbs kürt, wird mancher Preisträger speziell unter den Hobbyfotografen sich ermutigt fühlen, sein Talent zum Beruf zu machen. In Österreich ist dies einfach und schwierig zugleich. Seit vor vier Jahren Fotografie zum freien Gewerbe erklärt wurde, fielen zwar formale Schranken, dafür tummeln sich in diesem Bereich nun sowohl Fotografen als auch Ausbildner unterschiedlichster Qualität. Speziell im mittleren Segment – zwischen der klassischen Lehre (oder berufsbildenden Schule) und dem akademischen Fotografiestudium (an der Angewandten oder der Kunstuniversität Linz) – haben sich inzwischen etliche Institutionen angesiedelt.

Schule oder Kolleg

Eine bekannte Adresse ist die Graphische in Wien. Hier wird sowohl eine fünfjährige schulische Ausbildung als auch ein zweijähriges Kolleg für „Fotografie und audiovisuelle Medien“ angeboten. Inhaltlich gebe es zwischen beiden keinen Unterschied, sagt Kollegleiter Peter Bauer. Die Studierenden am Kolleg seien jedoch entweder frischgebackene Maturanten oder Erwachsene mit Berufs- oder Studienerfahrung. Der Schwerpunkt der Ausbildung liege auf der praktischen Arbeit, von der Konzeption bis zur Fertigstellung eines medialen Produkts, das neben einem Foto auch ein Film oder Video sein kann. Dabei werde insbesondere das Arbeiten in Teams gefördert.

Einordnung in den Kontext

Wichtig sei zudem, Erkenntnis und Analyse theoretischer Zusammenhänge zu vermitteln. „So muss man zum Beispiel wissen, welche Rolle stehende und bewegte Bilder in der heutigen Gesellschaft spielen und in welchem übergeordneten kulturellen Kontext sie eingebettet sind“, sagt Bauer. „Allgemeine kulturwissenschaftliche und kunsthistorische Kenntnisse sind von entsprechender Bedeutung. Grundlegendes Wissen über die visuelle Wahrnehmung ist Ausgangspunkt für das Arbeiten mit Licht und für die Gestaltung von Bildern.“ Dazu kämen der professionelle Umgang mit der Hardware – Kamera und Computer –, aber auch die nicht minder wichtige Softwarekompetenz, außerdem Wirtschaft und Recht. Als großen Vorteil des Fotografiekollegs der Graphischen sieht Bauer das Kennenlernen Studierender aus anderen Bereichen visueller Kommunikation (Druck, Grafik und Multimedia), das auch durch abteilungsübergreifende Diplomarbeiten gefördert werde. „Man knüpft so wertvolle Kontakte, die später im Berufsleben bei der Lösung von Aufgabenstellungen nützlich sein können.“

Zu den Absolventen der Graphischen zählt der Fotograf, Galerist und Kurator Herman Herzele. Er gründete vor 20 Jahren die Akademie für angewandte Fotografie Graz. Herzele legt Wert darauf, dass in dem einjährigen Abendlehrgang der Akademie nicht das technisch perfekte Bild per se als Ziel definiert wird, sondern vielmehr die eigene Handschrift und die persönliche, fotografische Stilfindung. „Dies ist sowohl in der künstlerischen als auch in der Berufsfotografie von enormer Bedeutung.“ Gerade aufgrund der heutigen Gewerbefreiheit der Berufsfotografie und angesichts der fotografischen Aufgabengebiete des Internets sei es umso wichtiger geworden, sich durch einen individuellen Ausdruck in der Bildsprache von der Masse abzuheben.

Entsprechend hat die Akademie eine breite Zielgruppe. Laut Herzele zählen dazu sowohl junge Leute, die neben dem Studium eine weitere Ausbildung anstreben, als auch bereits Berufstätige aus verschiedenen Branchen, die sich ein zweites Standbein aufbauen oder in ihren fotografischen Arbeiten eine künstlerische Sprache entwickeln möchten. Aber auch Berufsfotografen, die neue Zugänge im kreativen Ausdruck suchen. Voraussetzung für die Aufnahme an der Akademie ist das Einsenden einer Fotomappe oder von Arbeiten verschiedener Kunstrichtungen. Ausgewählte Bewerber werden dann zu einem Aufnahmegespräch eingeladen.

Kürzer und damit niederschwelliger ist etwa der dreimonatige Diplomlehrgang Fotografie des BFI Wien. Er richte sich vor allem an Personen in kreativen Branchen, die professionelle Fotos und das Wissen darüber für ihre Jobs im Marketing, in Agenturen oder anderen Kreativbereichen brauchen, sagt Lehrgangsleiter Peter Rauchecker.

Vorkenntnisse nicht zwingend

Fotografiefachkenntnisse werden nicht unbedingt vorausgesetzt, empfohlen wird jedoch der Besuch des vorgelagerten BFI-Schnupperworkshops „Fotografie: Der erfolgreiche Einstieg“. „Im Schnupperkurs bekommt man einen Einblick, lernt die grundlegenden Techniken und bekommt einen Überblick, welche Möglichkeiten es in der Fotografie gibt, damit man herausfindet, welcher Bereich einen mehr interessiert. Außerdem macht man dort erste Erfahrungen mit der Studiofotografie“, sagt Rauchecker. Der Diplomlehrgang sei als begleitendes Lernen zu verstehen. Hier wolle man den Kursteilnehmern dabei helfen, Ideen nach ihren Vorstellungen umzusetzen. „Am Schluss sollen alle ein Projekt aus dem Fotobereich präsentieren können, das ihnen wichtig ist. Nicht nur technisch, sondern auch kreativ.“

www.graphische.net

www.fotoakademie.com

www.bfi.wien, www.wifi.at

www.aap.photo, www.worldphoto.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2018)

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