Röntgenstrahlen gegen Schmerzen

Niedrig dosierte Röntgenstrahlen helfen auch bei Kalkablagerungen in der Schulter.
Niedrig dosierte Röntgenstrahlen helfen auch bei Kalkablagerungen in der Schulter.Imago
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Gegen Fersensporn, Schmerzen im Schulter- und Nackenbereich nach stundenlanger Computerarbeit oder Kalkablagerungen können Strahlentherapie und Stoßwellen eingesetzt werden.

Martin M. macht sich wieder auf den Weg in ein Wiener Röntgeninstitut. Aber nicht zum Durchleuchten kommt er hierher, sondern um die Schmerzen zu lindern, die ihm sein Fersensporn zufügt. Was auch viele Ärzte nicht wissen: Chronische Schmerzen des Bewegungsapparates (Verschleißerscheinungen und Entzündungen der Gelenke) können gut mit einer Strahlentherapie behandelt werden, mitunter ist sogar dauerhafte Schmerzfreiheit möglich. Die dabei eingesetzten Dosen sind freilich sehr niedrig, aber dennoch effektiv.

Unter anderem ist die Strahlentherapie entzündungshemmend und damit schmerzlindernd. Schmerzen etwa bei Arthrosen, aber auch Tennis- und Golferellenbogen, eine Entzündung der Achillessehne oder Schulterschmerzen können mit den Strahlen gemildert werden. Martin M. schwärmt von der angenehmen, nicht invasiven Therapie, die jeweils nur einige Sekunden dauert. Nach drei Sitzungen schon ist sein Leiden signifikant besser geworden, erzählt er.

Drei bis vier Sitzungen sind im Schnitt erforderlich. Der Mechanismus dahinter, wie genau die ionisierenden Strahlen Schmerzen killen, ist noch nicht restlos geklärt. Es dürfte eine Kaskade von positiven Reaktionen ausgelöst werden. Dazu gehört unter anderem die Zerstörung von Entzündungszellen im Gewebe, die Anregung der Abwehrzellen und des natürlichen Heilungsprozesses. „Die Entzündung wird genau dort gelindert, wo bestrahlt wird“, erklärt Daniela Kauer-Dorner, Fachärztin für Strahlentherapie.

Stoßwellentherapie lindert unter anderem Schmerzen bei muskulären Verspannungen.
Stoßwellentherapie lindert unter anderem Schmerzen bei muskulären Verspannungen.(c) Elvation Medical GmbH



Angst vor Krebserkrankungen. Dass Röntgenstrahlen schmerzlindernd sind, ist zwar weitgehend unbekannt, aber keine neue Erkenntnis. Schon im Ersten Weltkrieg waren Röntgenstrahlen ein probates Schmerzmittel. Sie wurden aber zu häufig und in zu hohen Dosen bei allen möglichen gutartigen Erkrankungen eingesetzt. Durch diese unkritische Anwendung kam es zu einer Häufung von Krebserkrankungen – einer der Gründe, warum man mit derartigen Therapien in Österreich und anderen Teilen Europas zurückhaltender wurde. In Deutschland jedoch werden Strahlen wieder häufiger gegen Schmerzen angewandt.

Die ionisierende Strahlung ist zwar per se ein Risiko für eine Tumorentwicklung. In der Schmerzbehandlung aber werden derart geringe Dosen eingesetzt, dass ein Krebsrisiko eher unwahrscheinlich ist. Das besagen mehrere Studien, da ist die Medizin schon vorsichtig genug. Dennoch besteht eine kleine Restgefahr, zu hundert Prozent lässt sich die Entstehung von Sekundärtumoren nicht ausschließen.


Nichts für junge Menschen. Kauer-Dorner würde junge Menschen unter 30 Jahren nicht gegen Schmerzen bestrahlen. Sie vergleicht das gern mit Sonnenstrahlen: Wenn sich ein 60-Jähriger häufig sonnt, ist das Risiko, dass sich ein Hautkrebs entwickelt, nicht mehr enorm groß. Bei einem Zehnjährigen sieht das anders aus. „Leider werden immer noch Patienten, oft nur aus Unkenntnis, nicht strahlentherapeutisch behandelt, oder die Röntgenschwachbestrahlung wird lediglich als letztes Mittel eingesetzt“, heißt es im Magazin des Diagnosehauses 11 in Wien-Simmering.

Dabei könnten die Röntgenstrahlen neben eingangs erwähnten Indikationen auch bei schmerzhaften degenerativen Gelenkerkrankungen oder Kalkablagerungen wirkungsvoll eingesetzt werden. Zu oft sollte man sich dieser Therapie dennoch nicht unterziehen.

Das „Springerknie“. Viele Sportler kennen das sogenannte Springerknie: Die Reizung der Patellasehne wird vor allem durch Ballspiele, Skateboarding oder Weit- und Hochsprung (daher auch „Jumpers Knee“) ausgelöst. Auch Joggen oder Tennisspiel auf hartem Untergrund fördert das sogenannte Patellaspitzen-Syndrom. Hilfreich dagegen ist unter anderem die extrakorporale Stoßwellentherapie. Viele Balletttänzer schwören darauf – ihnen bringen Stoßwellen Erleichterung bei Knochenmarködemen. Diese sind bei Tänzern häufig, der Schmerzarzt Reinald Brezovsky hat etliche Tänzer als Patienten: „Alle, die die Füße mechanisch stark belasten, neigen dazu.“ Im Schnitt reichen zwei bis fünf Sitzungen von jeweils fünf bis 20 Minuten. Auf den zu behandelnden Körperteil wird der Kopf des Stoßwellengeräts gehalten, die Wellen werden dann in einer individuell angepassten Frequenz und Intensität durch die Haut in das Körperinnere übertragen.

Die Stoßwellentherapie, bei der Schallwellen mit hoher Energie in den Körper eingeleitet werden, ist auch dann hilfreich, wenn Gewebe in der Tiefe des Körpers ohne Operation behandelt werden soll. Aber auch Bildschirmarbeiter, die über Schmerzen im Schulter- und Nackenbereich klagen, können profitieren. „Bei muskulären Verspannungen, unter anderem auch beim häufigen Cervicalsyndrom, eignet sich diese Therapie besonders gut“, betont Brezovsky.

Auch bei der Kalkschulter wurden gute Erfolge erzielt. Nun darf man aber nicht glauben, dass Stoßwellen den Kalk auflösen. Vielmehr werden bei der Behandlung verschiedene körpereigene chemische Substanzen freigesetzt. Durch diese Impulse wiederum werden die Selbstheilungskräfte angeregt und entzündungshemmende und schmerzlindernde Mechanismen in Gang gesetzt. Zudem wird die Durchblutung verbessert, wodurch Schadstoffe besser abtransportiert werden können und geschädigtes Gewebe schneller regenerieren kann. Auch Wundheilung und Gewebeneubildung werden gefördert. Die klinische Wirksamkeit der Stoßwelle wurde in etlichen Studien nachgewiesen. Sogar das kritische Projekt „Medizin transparent“ bescheinigt der Stoßwellentherapie gewisse Wirkung und schreibt unter anderem: „Stoßwellentherapie ist bei der Behandlung von chronischem Fersenschmerz wahrscheinlich wirksam. Einerseits können die Schmerzen etwas vermindert und andererseits die Notwendigkeit einer Operation des Fersensporns reduziert werden.“

Könnte unangenehm werden. Gefährlich wird die extrakorporale Stoßwelle aber, wenn man die Lunge miteinbezieht. Dadurch kann ein Lungenriss produziert werden. Auch am Kopf sollte nicht behandelt werden. „Bei allen luftgefüllten Bereichen im Körper wie eben Stirnhöhle oder Lunge ist die Stoßwelle kontraindiziert“, warnt Brezovsky. Unangenehm und schmerzhaft könnte es werden, wenn die Energie bei der Behandlung zu rasch gesteigert wird oder überhaupt zu stark ist. Bei einem erfahrenen Arzt, der sich langsam an den einzelnen Patienten herantastet, sollte das aber nicht passieren. Was hingegen immer wieder vorkommt, sind Blutergüsse oder Schwellungen nach der Behandlung. Unter dem Strich aber, so Brezovsky, sei die Stoßwelle nebenwirkungsärmer als eine medikamentöse Behandlung.

Häufiges Leiden

An chronischen Schmerzen leidet jeder fünfte Österreicher. Am häufigsten sind Kopf- und Nervenschmerzen sowie durch Abnützungserscheinungen am Bewegungsapparat hervorgerufene Schmerzen.

Röntgenschwachbestrahlung oder Strahlentherapie sowie Stoßwellen können zur Schmerzbekämpfung eingesetzt werden. Indikationsgebiete sind unter anderem: Fersensporn, Achillessehnenreizung, Tennisarm, schmerzhafte Arthrosen.

Bei der Strahlentherapie ist die Dosis sehr niedrig und beträgt im Schnitt pro Einheit 0,5 bis 1 Gray (Gy = Einheit der Strahlendosis). Als Vergleich: Bei einer Strahlentherapie gegen Tumore kommen in einer Einzelbehandlung mindestens 45 bis 70 Gy zum Einsatz. Kontraindikation ist unter anderem eine bestehende Schwangerschaft. Nicht bestrahlt werden Kinder und Jugendliche sowie Patienten mit tumorösen Krankheiten.

Stoßwellen sind mechanisch-akustische Impulse. Bekannt wurden sie mit der Nierensteinzertrümmerung. Die Geräte wurden dann aus- und umgebaut und werden heute bei etlichen Indikationen eingesetzt. Kontraindikationen sind bestehende Schwangerschaft, bösartige Tumorleiden, akute Entzündungen im Behandlungsgebiet und Gerinnungsstörungen.

Lektüre: Tipps, wie man diverse Schmerzarten bekämpfen kann, gibt es in dem Buch „Nebenwirkungen natürlich behandeln. Bewährte Heilkräuter, Übungen und Ernährungsempfehlungen“. Die Apothekerin Sabine Ritter und die Sozialpädagogin Elisabeth Schittler-Krikonas beschreiben auch, wie man unerwünschte Wirkungen von Medikamenten lindern kann (Mankau-Verlag, 287 Seiten, 20,60 Euro).

Mehr unter: www.schmerzarzt.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2018)

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