Hans Georg Ruppe, Ex-Mitglied des Verfassungsgerichtshofs, kritisiert scharf, wie das Höchstgericht zur Entscheidung gekommen ist, die Ehe für alle zu öffnen.
Wien. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat mit seiner Entscheidung gegen das Eheverbot für Homosexuelle zu viel und zu wenig aufgehoben, und das alles schlecht hergeleitet und mangelhaft begründet. So vernichtend fällt die Analyse eines profunden Kenners des Verfassungsrechts und der VfGH-Judikatur aus: Hans Georg Ruppe, bis 2012 Mitglied des Gerichtshofs, ließ vorige Woche bei einem Symposium zum Gedenken an den früheren VfGH-Präsidenten Karl Korinek kein gutes Haar am Erkenntnis (G 258/17).
Absicht, Kinder zu zeugen
Der Gerichtshof hat – mit Wirkung Ende 2018 – jene Wortfolge in § 44 ABGB aufgehoben, nach der nur Personen verschiedenen Geschlechts heiraten dürfen. Darin sah er, in stillschweigender Abkehr von seiner eigenen Vorjudikatur und jener des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, eine unzulässige Diskriminierung. Die Entscheidung ebnet Homosexuellen trotzdem nicht sicher den Weg, denn nach wie vor setzt die Ehe nach § 44 voraus, dass zwei Personen ihren Willen erklären, Kinder zu zeugen: Für Ruppe ist nicht ausgeschlossen, dass eine Personenstandsbehörde einem gleichgeschlechtlichen Paar auch nach dem 31. 12. 2018 die Ehe mit dem Argument verweigert, die Zeugung von Kindern sei in dieser Partnerschaft ausgeschlossen.