Kolumne "Führungsfehler". Eine Tischlerei, ein Traditionsbetrieb seit 30 Jahren. Der Chef legte größten Wert auf Qualität. Das Problem begann, als ihm der Betrieb zu groß wurde.
Ich brauche einen Stellvertreter, dachte der Gründer. Flugs beförderte er den ersten Lehrling, den er seinerzeit selbst ausgebildet hatte. Der, inzwischen Meister, war hocherfreut und legte sich mächtig ins Zeug.
Leider ging er die Dinge anders an als der Chef. Und bekam sofort den ersten Rüffel. Wie soll ich es denn machen?, fragte der Stellvertreter. Das kann ich Ihnen nicht sagen, gab der Chef zurück. Das sei situationsabhängig.
Bald bildeten sich zwei Fraktionen. Die eine, Anhänger des Stellvertreters, fanden dessen Ideen zeitgemäß und gut. Die andere, Anhänger des Chefs, wollten alles, wie es immer schon gewesen war.
Das ging so lange, bis der Stellvertreter aufgab, schweren Herzens kündigte (er war seit seiner Lehrzeit im Betrieb gewesen) und eine eigene Tischlerei im nächsten Ort aufmachte, die bald zur bösen Konkurrenz für seinen ehemaligen Lehrherrn wurde.
Der wieder ernannte einen neuen Stellvertreter, diesmal – um seinen Fehler nicht zu wiederholen – die Leiterin der EDV. Die war anfangs ebenfalls hocherfreut, erkannte sich bald aber als fachlich nicht sattelfest. Fragte sie beim Chef nach, bekam sie dieselbe Antwort wie ihr Vorgänger. Sie solle eben situationsabhängig handeln. Ob ihre Flexibilität dafür nicht ausreiche?
Nun, das Spiel wiederholte sich noch zweimal. Alle Stellvertreter-Kandidaten sind inzwischen verschlissen, die Mannschaft unrettbar zerstritten. Mache ich es halt wieder selbst, seufzte der bitter enttäuschte Chef.
Dabei würde er so gern in Pension gehen.
Das Management. Unendliche Möglichkeiten für Führungsfehler. Wenn Sie einen solchen loswerden wollen, schreiben Sie an: andrea.lehky@diepresse.com
Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Unternehmen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle "Führungsfehler" finden Sie hier.