Wirbel um unbegrenztes Rücktrittsrecht

Über Lebensversicherungen wird heftig debattiert.

Wien. Der für kommenden Mittwoch geplante neue Anlauf zur Abschaffung des unbegrenzten Rücktrittsrechts bei Lebensversicherungen, bei denen keine korrekte Rücktrittsbelehrung erfolgt ist, wirbelt viel Staub auf. Eine solche Regelung würde wohl höchstgerichtlich oder vom EuGH gekippt werden, sagt Anlegeranwalt Michael Poduschka – denn die angedachte Wirkung in die Vergangenheit hinein sei verfassungswidrig.

Es sei zudem unüblich, ein Gesetz, das in Millionen Lebensversicherungsverträge eingreift, ohne Behandlung in Ausschüssen, Stellungnahmemöglichkeiten und öffentliche Diskussionen einfach in die „zweite Lesung“ zur Abänderung eines anderen Gesetzes zu bringen, wie es für Mittwoch im Nationalrat geplant sei.

An sich kann man von Versicherungsverträgen binnen 14 Tagen zurücktreten, von Lebensversicherungsverträgen binnen 30 Tagen. Wurde der Versicherungsnehmer nicht oder nicht korrekt über sein Rücktrittsrecht aufgeklärt, erlischt dieses laut Oberstem Gerichtshof (OGH) und Europäischem Gerichtshof (EuGH) auch nach Jahren nicht, selbst für bereits abgelaufene Verträge. Dieses „ewige Rücktrittsrecht“ sollte schon einmal, noch unter der früheren SPÖ-ÖVP-Koalition, gekippt werden. Dazu kam es jedoch nicht, nachdem die Pläne auch damals kurz vor der geplanten Beschlussfassung an die Öffentlichkeit gelangt waren. Angedacht ist unter anderem, dass ein Rücktritt bei bereits beendeten Verträgen künftig nur mehr binnen eines Monats nach Kündigung oder Auslaufen möglich sein soll.

„Rechtssicherheit schaffen“

Dass man mit der Novelle für ab September 2018 neu abgeschlossene Verträge neue Rechtsvorschriften anwenden wolle, sei in Ordnung, sagt der Anwalt – ungeachtet allfälliger europarechtlicher Fragen, die noch zu prüfen seien. Aber in Millionen bestehende Verträge einzugreifen, und dies einzig im Interesse der Versicherungswirtschaft, sei „verfassungs- und europarechtswidrig“.

Die Versicherungswirtschaft verteidigt indes die geplanten Änderungen: Es sei notwendig, für alle Beteiligten Rechtssicherheit zu schaffen. Derzeit sei insbesondere die Frage der Folgen eines Rücktritts nicht geklärt, es gebe dazu „widersprüchliche Gerichtsurteile“. Zudem warnt der Versicherungsverband vor „voreiligen Rücktritten“. (APA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2018)

Mehr erfahren

Versicherungsschein Lebensversicherung Versicherungsschein Lebensversicherung
Wirtschaftsrecht

Lebensversicherung: Ewiges Rücktrittsrecht wird vorerst nicht gekippt

Die Novelle wurde neuerlich vertagt. Die Gesetzesänderung hätte am Mittwoch im Nationalrat beschlossen werden sollen.
Lebensversicherung Euro M�nzen Lebensversicherung Euro M�nzen
Home

Jurist: "Aus für ewiges Rücktrittsrecht bei Lebensversicherung hält nicht"

Sollte die Abänderung durch die Regierung kommen, würde das Thema nach Inkrafttreten rasch zu OGH, VfGH und EuGH gebracht werden, ist Anlegeranwalt Poduschka überzeugt.
Lebensversicherung Lebensversicherung
Home

Kolba: "Lebenslanges Rücktrittsrecht" bei Versicherungen soll gekippt werden

Die unbefristete Kündigungsmöglichkeit im Fall von Fehlberatungen bei Lebensversicherungen sollte schon im Vorjahr fallen. Nach dem Rückzieher gibt es jetzt einen neuen Anlauf.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.