Gefährlicher Streit um das Wasser des Nils

Grand Ethiopian Renaissance Dam 8 WELTJOURNAL DONNERSTAG, 22. MÄRZ 2018 Die Lebensader Ägyptens. Bewohner eines Vorortes von Kairo kühlen sich im Wasser des Flusses Nil ab.
Grand Ethiopian Renaissance Dam 8 WELTJOURNAL DONNERSTAG, 22. MÄRZ 2018 Die Lebensader Ägyptens. Bewohner eines Vorortes von Kairo kühlen sich im Wasser des Flusses Nil ab.REUTERS
  • Drucken

Heute wird weltweit der Tag des Wassers begangen. Der Kampf um den Rohstoff sorgt zunehmend für politische Spannungen. Etwa am Nil, wo Äthiopien einen Damm errichtet und Ägypten deshalb Wasserknappheit befürchtet.

Kairo. Die künftigen Kriege könnten um Wasser- und Wasserrechte geführt werden, lautet seit Jahrzehnten eine düstere Prognose. Heute, am UN-Weltwassertag, wird der lebenswichtigen Bedeutung des Wassers gedacht – eines Rohstoffs, der so kostbar ist, dass er bereits heute zu Krisen führen kann.

So braut sich am Nil, dem je nach Definition des Verlaufs längsten oder zweitlängsten Fluss der Welt (er matcht sich Kopf an Kopf mit dem Amazonas, die Sache ist nicht eindeutig), ein Konflikt zusammen, der eskalieren könnte, wenn es keine Einigung gibt. Zwölf Länder liegen im Einzugsgebiet des Nils, dort leben sechs Prozent der Weltbevölkerung.

Grund: Der Bau und die Fertigstellung des „Grand Ethiopian Renaissance“-Damms in Äthiopien am Oberlauf des Blauen Nils bis Ende des Jahres sorgt am Flussunterlauf, vor allem in Ägypten, für große Unruhe. Denn das bevölkerungsreichste arabische Land besteht zum überwiegenden Teil aus Wüste, mit Ausnahme des Niltals. Kaum ein Land der Welt hängt so sehr von einem Fluss ab.

Gewaltiges Hydrokraftwerk

Bald soll der Damm, Baubeginn war 2011, also fertig sein; er wird federführend von einem italienischen Konzern errichtet. Für das aufstrebende Äthiopien mit seinen mehr als 100 Millionen Einwohnern ist er Symbol der „Auferstehung der äthiopischen Nation“. Hier soll das größte Wasserkraftwerk Afrikas stehen. Man wolle kein Wasser entnehmen, sondern nur den für die Entwicklung so wichtigen Strom produzieren, beruhigen die Äthiopier. „Wir werden niemals Ägypten schaden und unsere Bestes geben, das Leben der Söhne des Nils zu garantieren“, erklärte der äthiopische Premier Hailemariam Desalegn bei einem Besuch in Kairo, bevor er wenige Wochen darauf, aufgrund einer internen politischen Krise seines Landes, zurücktrat.

Das Problem: Um die 16 Turbinen mit zusammen rund 6,4 Gigawatt Leistung anzutreiben, muss erst der Stausee von etwa 1870 km2, Fläche, das ist viereinhalbmal die Fläche Wiens, gefüllt werden. Wie schnell das gehen soll und was das für die Länder am Flussunterlauf – der Sudan und Ägypten – bedeutet, darüber gibt es keine Einigkeit. Auch nicht nach zahllosen Sitzungen gemeinsamer technischer Komitees und politischen Treffen auf höchster Ebene, bei denen man einander guten Willen bescheinigte.

Für Ägypten mit seinen mindestens 95 Mill. Einwohnern, von denen die meisten im Niltal leben, ist das aber eine existenzielle Frage. „Für uns ist jeder Damm am Nil ein großes Thema, weil 97 Prozent unseres Wassers mit dem Nil kommt. Unser Land besteht zu 90 Prozent aus Wüste“, beschreibt Ägyptens Wasserminister Mohamed Abdel Ati der „Presse“ die Ausgangslage. „Deswegen muss sich Ägypten in allen Nilwasserangelegenheiten ganz besonders mit Nachbarländern flussaufwärts koordinieren“, sagt er. Aber genau das geschehe im Fall des Großen Renaissance-Damms nicht.

Äthiopien sage, dass der Damm keinem schaden wird. Verträglichkeitsstudien für die Länder am Unterlauf wurden aber bisher nicht vorgelegt, beklagt er. „Sie sagen immer, dass der Damm für Ägypten keine oder sogar positive Folgen haben wird. Wir müssen diese Worte endlich in schriftliche Abkommen gießen“, fordert er, und will eine flexible Herangehensweise. „Es gibt Möglichkeiten, den Damm zu füllen, ohne dass Ägypten Schaden trägt. Wenn wir die Regenzeit und den Niederschlag in den Ländern stromaufwärts jedes Jahr neu evaluieren, dann können wir zusehen, ob es genug Wasser gibt, damit der Überschuss gestaut und der Rest weitergeleitet werden kann.“

Sonst bleibt auch Ägypten recht unflexibel. „Ein faires Abkommen heißt für uns, dass wir gleich viel Wasser erhalten wie heute. Das ist das Minimum, das wir brauchen“, so Abdel Ati. Um zu zeigen, wie wenig Manövriermasse Ägypten habe, malt er ein Horrorszenario an die Wand: „Wenn das Wasser, das wir heute erhalten, um nur zwei Prozent vermindert wird, würden sofort eine Million ägyptischer Bauern arbeitslos.“ Das könne eine Radikalisierung der Betroffenen und eventuell eine Migration nach Europa auslösen.

Die UNO hat Ägypten mit seinem Bevölkerungswachstum von fast zwei Millionen Menschen pro Jahr schon für 2025 Wassermangel bescheinigt. Der Nil ist für Ägypten die ultimative Frage nationaler Sicherheit. Daher kann der Streit mit Äthiopien schnell außer Kontrolle geraten: „95 Prozent der ägyptischen Bevölkerung lebt auf fünf Prozent des ägyptischen Bodens entlang des Nils. Da weiß man, wie wichtig der Nil ist. Die Lage kann von Seiten der Ägypter gegenüber den Äthiopiern eskalieren, bis hin zu einem militärischen Konflikt“, warnt Hisham Hellyer von der Denkfabrik Atlantic Council.

„Krieg ist keine Lösung“

Ägyptens Wasserminister beschwichtigt: „Krieg ist keine Lösung. Wir müssen zusammenarbeiten, Geduld haben und uns in die Lage des jeweils anderen versetzen. Dann können wir ein faires Abkommen aushandeln.“

Das klingt vernünftig, löst aber nicht den Grundkonflikt. Äthiopien möchte so schnell wie möglich und so viel wie möglich Strom produzieren. Ägypten möchte keinen Kubikmeter des Nilwassers aufgeben, den es heute erhält. Man kann nur hoffen, dass Diplomaten und Wassertechnokraten einen für beide Seiten wohl schmerzhaften Kompromiss aushandeln können – wenn sie das nicht schaffen, droht tatsächlich ein Wasserkrieg.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.