Das eherne Gesetz links-grüner Publizisten

Eine europäische Ungeheuerlichkeit. Zehn Jahre nach den Sanktionen.

Die Berichterstattung in den österreichischen Medien anlässlich „Zehn Jahre Sanktionen“ zeigt deutlich, wie unterschiedlich diese heute beurteilt werden, wobei sich einige ihre höchstpersönliche Version der Wahrheit zurechtgezimmert haben.

Standfeste Befürworter der Sanktionen finden sich nach wie vor in den Reihen des „Antifaschistischen Karnevals“ (© Rudolf Burger), von dem Theaterclown Hubert Kramar über Marlene Streeruwitz oder Peter Huemer bis Doron Rabinovici, die bis heute nicht müde werden, diese großartige Aktion zu loben. Viele fantasieren unentwegt von dem „europaweiten Tabubruch“, der damals angeblich geschehen wäre, nämlich eine rechtsopportunistische Partei wie die FPÖ in eine Regierung zu nehmen.

Gerade dieses Gerede vom „Tabubruch“ nimmt sich angesichts der damaligen Bemühungen, auch eine SPÖ-FPÖ-Regierung zu zimmern, ziemlich verlogen aus. In einer interessanten Serie im „Standard“ bestätigen nicht nur Andreas Khol, sondern auch der ehemalige SPÖ-Funktionär und Zeitzeuge Karl Schlögl sowie der damalige Chefredakteur Gerfried Sperl, dass es Gespräche zwischen Bundeskanzler Viktor Klima und der FPÖ gegeben hätte und dass „Klestil ein Kabinett Schlögl-Scheibner ventiliert hat“.

In diesem Fall wäre die Regierungsbeteiligung einer „rechtsopportunistischen“ Partei offensichtlich kein Tabubruch gewesen; eine Frage, die sich keiner der klugen Analysten heute stellt. In der „fortschrittlichen“ links-grünen Publizistik gilt nämlich das unumstößliche Gesetz: Wenn eine sozialdemokratische Partei zwecks Machterhalt eine derartige Koalition eingeht, dann ist das in Ordnung, wenn es hingegen eine konservative Partei tut, dann ist das ein Signal, auf die Barrikaden zu steigen. Und die Tabubrüche von 1970, als sich Bruno Kreisky von einem ehemaligen SS-Obersturmbannführer zum Kanzler machen ließ sowie die rot-blaue Koalition unter Sinowatz und Steger 1983 sind wohl auch schon vergessen. (Die erste Regierung Kreisky – so ein Bonmot – enthielt immerhin mehr Nazis, als das Kabinett Seyß-Inquart. In ein paar Wochen jährt sich die Angelobung dieser Regierung zum 40. Mal – man kann gespannt sein, wie die Betroffenheitsheuchler mit diesem Jubiläum umgehen werden.)

Da ist es zumindest erfreulich, dass ein Sozialdemokrat wie Karl Schlögl über ein funktionierendes Gedächtnis verfügt, zum Unterschied zu Rudolf Edlinger. Dieser bestreitet Kooperationsabsichten mit der FPÖ, führt die schwarz-blaue Regierung auf einen „unbefriedigten Egotrip des Wolfgang Schüssel“ zurück und verneint auch, dass die SPÖ mit den Sanktionen etwas zu tun gehabt hätte.

Rudolf Edlinger – das war übrigens der Finanzminister, der durch Schreddern von Akten und Beschädigung von Computern im Finanzministerium für eine unerfreuliche Amtsübergabe sorgte – hatte wohl damals keine Zeit, ausländische Zeitungen zu lesen. So hätte er zum Beispiel schon am 29. Jänner 2000 im Labour-nahen englischen „Guardian“, der wohl alles andere als im Verdacht der ÖVP-Hörigkeit steht, expressis verbis von den „Bemühungen Viktor Klimas, die anderen EU-Regierungschefs bei einem EU-Ministergipfel zu drängen, eine allfällige ÖVP-FPÖ-Regierung zu boykottieren“ lesen können.

Einmaliger Willkürakt

Im „Profil“, das damals mit dem Cover „Schande Europas“ Stellung bezog, wird inzwischen die Erkenntnis vertreten, dass die Sanktionen „dummer Aktionismus“ waren, und der deutsche Rechtsgelehrte Frowein – einer der ehemaligen „Weisen“ – stellt trocken fest, dass „die Sanktionen rechtswidrig waren“. Das hatte damals schon der Doyen des österreichischen Verfassungsrechts, Günther Winkler, konstatiert, der die EU-Aktion als einen „einmaligen Willkürakt“ qualifizierte. Und Erhard Busek meinte, dass der portugiesische EU-Vorsitz damals „so ziemlich alle Regeln der Europäischen Union verletzt hat“.

Von den damaligen Sanktionierern ist heute nur mehr Jean-Claude Juncker im Amt. Er war einer, der damals bereitwillig mitmachte, und nicht erst überredet werden musste. Er zumindest dürfte aus den Sanktionen etwas gelernt haben, denn 2008 sprach er sich anlässlich der Irland-Referendum-Krise im ORF „gegen Zurufe über den Zaun“ aus: „Ich bin ein Fachmann kleinerer Räume und ich weiß, dass kleinere Nationen, kleinere Staaten, kleinere Völker es überhaupt nicht mögen, wenn man ihnen Zurechtweisungen von außen zukommen lässt.“ Vom „Fachmann kleinerer Räume“ ist bislang – wie auch von den anderen Initiatoren – keine Entschuldigung oder irgendeine Einsicht über den damaligen Fehler bekannt, ja der damalige französische Europaminister Pierre Moscovici durfte dieser Tage im ORF wieder die Richtigkeit der damaligen Vorgangsweise bekräftigen. Da ist es zumindest tröstlich, dass Juncker bei der jüngsten Verteilung von EU-Topjobs leer ausgegangen ist. Ein Spitzenrepräsentant mit einem derartigen Schandfleck auf der Europaweste wäre wohl kein Ruhmesblatt für die EU.

Die Nebelgranaten, die die Sanktionsapologeten hasserfüllt und verbissen – wie etwa in einem decouvrierenden Club 2 – nach wie vor werfen, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese unselige Aktion – das ist ja mittlerweile gut dokumentiert – nicht „passiert“ ist. Sie wurde – aus unterschiedlichen Motiven – vom In- und Ausland in Bewegung gesetzt. Sie hat das Ansehen Österreichs nachhaltig beschädigt und der europäischen Idee schweren Schaden zugefügt. Auch das sollten wir nicht vergessen, wenn wir im Ausland ein negatives Österreich-Image feststellen, oder uns im Inland über das schlechte Image der EU hierzulande wundern.

Dr. Herbert Kaspar ist Herausgeber von „Academia“, der Zeitschrift des Österreichischen Cartellverbandes (ÖCV).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2010)

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