Brauchen wir zufriedene Mitarbeiter?

(c) Marin Goleminov
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Kennzahlen. Mitarbeiterbefragungen sind ein interessantes Tool. Noch mehr als eine Quantifizierung ihrer Zufriedenheit hilft Mitarbeitern ein Umfeld, das sie einfach arbeiten lässt.

Jedes Jahr befragte der Konzern seine Mitarbeiter. Monate danach kam ein Abgesandter angeflogen. Er konfrontierte das Management mit lokalen Zufriedenheitszahlen und internationalen Vergleichen: zu den Vorjahren, zu anderen Ländern, zum Europa-Schnitt, zum globalen Schnitt. Mit Abweichungen nach oben hielt er sich nicht lang auf, umso länger mit denen nach unten. Er forderte Erklärungen für jede einzelne ein und was man dagegen zu tun gedachte.

Und der Nutzen? Man hatte eine Zahl. Diese war vielleicht 0,5 Punkte über oder unter dem Vorjahr. Unter Druck dachte man sich Notmaßnahmen aus, doch bevor diese griffen, zog schon die nächste Umfrage ins Land. Große Verbesserungen gab es keine.

Ein Lob der Zufriedenheit

Um nicht missverstanden zu werden: Mitarbeiterzufriedenheitsbefragungen haben ihre Berechtigung. Sie sind oft das einzige strukturierte Instrument, um die Stimmung in der Belegschaft einzufangen. Schlau gefragt, weiß man dann, wie viele Söldner (die für mehr Geld jederzeit überlaufen würden), Gegner (so unzufrieden und unmotiviert, dass sie schon schaden), Gefangene (die mangels Alternativen bleiben) und schlussendlich Sympathisanten und Fans man in der Truppe hat.

Apropos Fans: Das sind Mitarbeiter, die so begeistert sind, dass sie die Botschaft des Unternehmens aus eigenem Antrieb in die Welt hinaustragen. In einer Analogie zur Glitter-Glamour-Star-Welt: Dort wird man zum Fan, weil der Star, mit dem man sich identifiziert, ein zentrales Bedürfnis anspricht. Auf Unternehmen bezogen: Auch diesem muss es gelingen, jene Bedürfnisse anzusprechen, die dem Mitarbeiter etwas bedeuten.

Doch ist Zufriedenheit alles? Nein, findet etwa Herwig Kummer, stellvertretender ÖAMTC-Personalchef, und viele heimische Personalisten werden ihm zustimmen: „Wer mit allem zufrieden ist, hat kein Animo, sich weiterzuentwickeln. Weil er ja eh zufrieden ist.“ Warum sollte er dann noch nachdenken, wie es anders/besser gehen könnte? Entwicklung findet nur statt, wo es Luft nach oben gäbe.

Lasst sie leisten

Extrem weitergedacht: Zu viel Hofiertwerden schlägt ins Gegenteil um. Irgendwann macht der Mitarbeiter nur mehr, was ihn freut.

Besinnen wir uns zurück, weshalb er im Unternehmen angefangen hat: Weil er etwas leisten wollte. Sich beweisen wollte. Etwas weiterbringen wollte. Einen Sinn in genau dieser Tätigkeit sah. Was hindert ihn daran? Quer durch alle Branchen werden diese Bremsfaktoren am häufigsten genannt:
► unnötige Meetings, Reports und Budgetprozesse, die nur „denen da oben“ dienen, und
► ein nicht enden wollender Strom von Change-Projekten, die auseinanderreißen, was gut funktioniert. Die dem Headquarter dienen, aber nicht dem Markt.

Ansätze gibt es verschiedene: Etwa, das Vertrauen zu messen und dann mit den Mitarbeitern an inhaltlichen Maßnahmen zu arbeiten. Von der deutschen Loyalitätsexpertin Anne M. Schüller kommt ein Vorschlag für eine Zufriedenheitsabfrage, die aus offenen Fragen besteht: Was mir an meinem Arbeitsplatz am besten gefällt/am meisten fehlt. Was ich konkret verbessern würde. Mein größter Wunsch an meine Führungskraft. Warum mir unser Unternehmen so wichtig ist. Woran ich bei mir selbst arbeiten möchte. Wo ich mir Unterstützung wünsche. Und zuletzt: Was ich euch schon immer sagen wollte.

AUF EINEN BLICK

Mitarbeiterzufriedenheitsumfragen quantifizieren die Stimmung im Unternehmen. Das ist wichtig, genügt aber nicht. Zu viel Zufriedenheit bremst die Weiterentwicklung. Tatsächlich gingen die Mitarbeiter an Bord, um etwas zu leisten. Mehr als quantitative Umfragen hilft es ihnen, wenn die Bremsfaktoren abgebaut werden. Dazu ist es notwendig, aktiv konkrete Verbesserungsideen zu entwickeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2018)

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