EU und Türkei vor stürmischen Gesprächen in Warna

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Erdogan reist zu Gipfel mit EU-Führung nach Bulgarien. Zwar vermeidet Erdogan derzeit direkte Angriffe auf die EU, doch ignoriert seine Regierung alle Warnungen aus Brüssel vor dem weiteren Abbau der Demokratie.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kommt am Montag im bulgarischen Küstenort Warna mit der EU-Führung zusammen, um im zuletzt stürmischen Verhältnis zur Europäischen Union die Wogen zu glätten. Doch hängen bereits dunkle Wolken über dem Gipfel mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk, die eher schwierige Gespräche erwarten lassen.

Nachdem dem EU-Beitrittsprozess der Türkei wegen des harten Vorgehens der Regierung gegen ihre Gegner und der Einschränkung der Bürgerrechte nach dem Putschversuch von Juli 2016 endgültig Schiffbruch zu erleiden drohte, ist Erdogan um Korrekturen bemüht. Doch hat die EU-Führung klar gemacht, dass eine atmosphärische Aufhellung nicht reicht, sondern ein echter Kurswechsel vonnöten ist.

"Ein sehr schwieriges Treffen"

Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissow, der als amtierender Ratsvorsitzender den Gipfel ausrichtet, sagte, er erwarte "ein sehr schwieriges Treffen". Es gebe viele Konflikte und "sehr wenige diplomatische Kanäle des Dialogs". Juncker kündigte eine "ehrliche und offene Debatte" an und sagte, er schaue "mit gemischten Gefühlen" auf den Gipfel in Warna, da es viele Differenzen mit der Türkei gebe.

Ankara dringt auf die Gewährung der Visafreiheit, die im EU-Flüchtlingspakt im März 2016 zugesagt worden war. Auch fordert die Türkei die schnellere Auszahlung der damals vereinbarten Hilfen für die 3,5 Millionen syrischen Flüchtlinge im Land. Die EU will zwar den Deal bewahren, der zum deutlichen Rückgang der Flüchtlingszahlen geführt hat, doch sieht sie die Bedingungen für die Visafreiheit nicht erfüllt.

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte nach einem EU-Gipfel in Brüssel am Freitag, die EU stehe zum Flüchtlingsabkommen und der Auszahlung der zweiten Tranche der zugesagten Hilfsmittel von insgesamt sechs Milliarden Euro. Doch gebe es "sehr große Besorgnis" angesichts der Entwicklung in der Türkei, sagte Merkel. Auch bereite deren Politik in der syrischen Region Afrin und im Mittelmeer der EU Sorgen.

"Fortgesetzte illegale Handlungen"

Die EU-Staaten warfen der Türkei am Freitag "fortgesetzte illegale Handlungen" im Streit um die Gasförderung vor Zypern sowie um eine mit Griechenland umstrittene Inselgruppe in der Ägäis vor. Im Februar hatte dort ein türkisches Patrouillenboot ein Boot der griechischen Küstenwache gerammt, zudem stoppte die türkische Marine ein italienisches Bohrschiff, das vor Zypern nach Gas suchen wollte.

Ankara nannte die Erklärung "inakzeptabel", in der auch die Inhaftierung von zwei griechischen Grenzsoldaten kritisiert wurde, die bei einer Patrouille auf türkisches Gebiet geraten waren. EU-Ratspräsident Tusk sagte, der Fall werde in Warna Thema sein, zudem werde es "eine umfassende Diskussion über die EU-Türkei-Beziehungen und den Weg nach vorne" geben. Doch die Hoffnung auf echte Fortschritte ist gering.

Auch wenn Erdogan die EU immer wieder drängt, die Türkei nicht länger vor der Tür stehen zu lassen, sagt selbst sein Außenminister Mevlüt Cavusoglu, es gebe "keine Erwartungen an die EU hinsichtlich der Mitgliedschaft". Zwar vermeidet Erdogan derzeit direkte Angriffe auf die EU, doch ignoriert seine Regierung alle Warnungen aus Brüssel vor dem weiteren Abbau der Demokratie.

Für April wird ein neuer Fortschrittsbericht zur Türkei erwartet, der erhebliche Rückschritte bei Bürgerrechten, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit konstatieren dürfte. Zwar gibt es derzeit keine Mehrheit in der EU für einen Abbruch der Beitrittsgespräche. Doch ist klar, dass der Beitritt für die Türkei ein fernes Ziel am Horizont bleiben wird, solange Erdogan nicht bereit ist, sein Land auf einen anderen Kurs zu bringen.

(APA/AFP )

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