Steuerrecht

Warum Geschäftsführerhaftung schwer abzuwehren ist

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Vertretern juristischer Personen ist es nicht möglich, beim Verlassen der Gesellschaft alles Nötige zur Beweisvorsorge mitzunehmen.

Wien. § 9 der Bundesabgabenordnung (BAO) enthält eine steuerrechtliche Haftungsbestimmung für Vertreter von juristischen Personen. Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder haften demnach für ausständige Steuern und Abgaben, wenn diese aufgrund von schuldhaften Pflichtverletzungen durch Organmitglieder bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können. Die praktische Bedeutung dieser Regelung einer gesetzlichen Ausfallshaftung ist enorm groß, allein im Jahr 2017 hat das Bundesfinanzgericht rund 70 Entscheidungen zur abgabenrechtlichen Vertreterhaftung erlassen.

Aufgrund der betragsmäßig unbeschränkten Haftung und der relativ einfachen Geltendmachung durch das Finanzamt mittels Haftungsbescheid ist § 9 BAO ein für Organmitglieder gefährliches Instrument des Fiskus. Überdies geht die Rechtsprechung von einer qualifizierten Mitwirkungspflicht im Haftungsverfahren aus. So ist beispielsweise das Nichtvorliegen einer Pflichtverletzung vom potenziell Haftenden zu behaupten und konkret nachzuweisen. Gelingt dieser Nachweis nicht, so darf die Abgabenbehörde im Sinne einer Beweislastumkehr annehmen, dass eine pflichtwidrige Handlung stattgefunden hat.

Fälle aus lang vergangener Zeit

Die Möglichkeit der Steuerbehörden, Organmitglieder für steuerrechtliche Pflichtverletzungen zur Verantwortung zu ziehen, ist freilich nicht mit dem Zeitpunkt des Ausscheidens des jeweiligen Organmitgliedes aus der Geschäftsleitung beschränkt. Maßgeblich sind vielmehr die abgabenrechtlichen Verjährungsbestimmungen. Auch ehemalige Organmitglieder sind daher immer wieder mit Haftungsverfahren konfrontiert, die sich inhaltlich auf längst vergangene Jahre beziehen.

Es versteht sich von selbst, dass im Rahmen solcher Haftungsverfahren oftmals Beweisschwierigkeiten bestehen. Das schon länger ausgeschiedene Organmitglied würde zwar gern sein sorgfältiges Handeln in der Vergangenheit nachweisen, kann dies aber nicht adäquat tun, weil ihm die historischen Unterlagen nicht mehr zur Verfügung stehen.

VwGH: Alles ausdrucken

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) vertritt dazu in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass ein ehemaliges Organmitglied einer Kapitalgesellschaft im Hinblick auf die oben beschriebene qualifizierte Mitwirkungspflicht die Verpflichtung treffe, im Zuge seines Ausscheidens aus der Gesellschaft im Hinblick auf mögliche spätere Haftungsverfahren entsprechende Beweisvorsorge zu treffen. Das ausscheidende Organmitglied muss sich daher jene Informationen sichern („etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken“), die ihm im Falle der späteren Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der qualifizierten Mitwirkungspflicht ermöglichen (VwGH vom 29.5.2013, 2010/16/0019; vom 19.3.2015, 2011/16/0188).

Es versteht sich von selbst, dass die vom VwGH dem Haftenden aufgebürdete Beweisvorsorgeverpflichtung sowohl tatsächlich als auch rechtlich kaum einzuhalten ist. Zum einen wird es das Organmitglied faktisch kaum schaffen, das gesamte Rechenwerk der Gesellschaft oder zumindest sämtliche Dokumente, die allenfalls in einem (noch gar nicht absehbaren) Haftungsverfahren zukünftig relevant sein könnten, im Zuge seines Ausscheidens mitzunehmen.

Andererseits stehen einer solchen Mitnahme von Dokumenten regelmäßig auch gewichtige rechtliche Gründe entgegen. So gilt beispielsweise im Aktienrecht – aber auch im GmbH-Recht – nach herrschender Auffassung, dass ausgeschiedene Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer zwar ein Recht darauf haben, dass ihnen im Haftungsfall durch die Gesellschaft die zur Haftungsabwehr notwendigen Unterlagen und Informationen zur Verfügung gestellt werden. Dies berechtigt aber ein ausscheidendes Mitglied nicht dazu, im Zuge des Ausscheidens Unterlagen der Gesellschaft als Original oder Kopie an sich zu nehmen. Häufig beinhaltet auch der mit dem Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer abgeschlossene Anstellungs- oder Dienstvertrag eine Verpflichtung zur Rückgabe von Dokumenten und Aufzeichnungen.

Verbot im Gesellschaftsrecht

Die vom Verwaltungsgerichtshof postulierte Beweisvorsorgepflicht fordert daher ganz offensichtlich vom ausscheidenden Organmitglied einen Rechtsverstoß, da für abgabenrechtliche Zwecke ein Verhalten gefordert wird, das nach gesellschafts- und wohl auch arbeitsrechtlichen Maßstäben unzulässig ist. Gerade aufgrund des im Steuerrecht geltenden Grundsatzes der Amtswegigkeit müsste es aber genügen, wenn das ehemalige Organmitglied im Haftungsverfahren dem Grunde nach jene Unterlagen benennt, aus denen sich seiner Ansicht nach die ordnungsgemäße Pflichtenerfüllung ergibt.

In diesem Fall ist das Finanzamt nämlich von Amts wegen verpflichtet, weitere Ermittlungen anzustellen und beispielsweise mittels Auskunftsersuchen gemäß § 143 BAO von der Gesellschaft entsprechende Informationen zu beschaffen.


Dr. Franz Althuber LL.M. ist Gründungspartner der Althuber Spornberger & Partner Rechtsanwälte GmbH.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2018)

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