Zehntausende protestieren nach Festnahme für Puigdemont

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Nach der Inhaftierung des katalanischen Ex-Regionalchefs Puigdemont kommt es bei Protesten in Barcelona zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten. Dutzende Menschen werden verletzt.

Bei Protesten in Katalonien gegen die Festnahme von Separatistenführer Carles Puigdemont in Deutschland sind mindestens hundert Menschen verletzt worden. 92 wurden allein in der regionalen Hauptstadt Barcelona verletzt, wo am Sonntagabend mehr als 50.000 Menschen auf die Straße gegangen waren, berichteten die Rettungskräfte bei Twitter. Bei kleineren Veranstaltungen in Lleida wurden sieben weitere verletzt, in Tarragona eine Person.

In Barcelona kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, die auch Schlagstöcke einsetzte. Polizeibeamte gaben auch Warnschüsse in die Luft ab. Es gab mindestens vier Festnahmen. Auf Fotos und Videos war zu sehen, dass Demonstranten die Polizei mit Gegenständen bewarfen. Auch mindestens 23 Beamte erlitten dort Verletzungen. Mit Parolen wie "Politische Gefangene befreien" zogen die Demonstranten von der Vertretung der Europäischen Kommission zum deutschen Konsulat.

Der ehemalige Regionalpräsident war Sonntagmittag bei der Einreise aus Dänemark auf einer Autobahnraststätte an der A7 bei Schleswig gestoppt und festgenommen worden. Grundlage sei ein europäischer Haftbefehl, erklärte das Landespolizeiamt in Kiel.

Der 55-Jährige hatte im Oktober die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien ausgerufen und damit gegen die Verfassung verstoßen. Darauf leitete die Justiz Ermittlungen wegen Rebellion gegen Puigdemont und andere führende Separatisten ein. Puigdemont floh daraufhin nach Belgien ins Exil.

Gericht prüft Auslieferung an Spanien

Puigdemont wird nun heute, Montag, dem zuständigen Amtsgericht vorgeführt. Dieser Schritt dient der Überprüfung der Identität des Festgenommenen. Die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig hat das Auslieferungsverfahren übernommen. Laut dem leitenden Oberstaatsanwalt Ralph Döpper muss das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht über die Frage einer Auslieferungshaft entscheiden. Dieses prüft anhand von Unterlagen aus Spanien gegebenenfalls auch, ob eine Übergabe an die spanischen Behörden rechtlich zulässig ist. Sollten rechtliche Hindernisse einer Auslieferung nicht im Wege stehen, entscheide schließlich die Generalstaatsanwaltschaft.

Der Staatsanwalt schloss nicht aus, dass gar das Bundesverfassungsgericht ins Spiel kommen könnte.

Puigdemont-Vertrauter bei Wahl gescheitert

Der Oberste Gerichtshof Spaniens hatte am Freitag Strafverfahren gegen Puigdemont und weitere Regionalpolitiker eröffnet. Ihnen drohen bis zu 25 Jahre Haft. Wann das Verfahren beginnen soll, gab der Richter nicht bekannt. Allerdings ordnete er sofortige Haft für fünf Beschuldigte an. Darunter befindet sich der Puigdemont-Vertraute Jordi Turull, der am Donnerstag bei der Wahl des Regierungschefs gescheitert war. Insgesamt müssen sich 25 Personen wegen Rebellion, Veruntreuung oder Gehorsamsverweigerung verantworten.

Im Regionalparlament in Barcelona haben auch nach der Neuwahl die separatistischen Parteien eine Mehrheit. Mehrere Anläufe zur Wahl eines neuen Präsidenten scheiterten jedoch bislang. Parlamentspräsident Roger Torrent setzte den für Samstag geplanten Wahlgang wegen der Festnahme Turulls ab. In der stattdessen anberaumten Debatte nannte der Parlamentspräsident das Vorgehen der spanischen Justiz einen "Angriff auf das Herz der Demokratie". Menschen wegen ihrer politischen Vorstellungen einzusperren und diejenigen zu verfolgen, die diese Ideen nicht aufgeben wollten, sei das Ende der Freiheit des politischen Denkens, sagte Torrent.

(APA/dpa)

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