Die politische und weltanschauliche Kluft zwischen Brüssel und Ankara ist enorm. Der Migrationsdruck aus dem Süden zwingt die Europäer, nolens volens mit Erdoğan im Gespräch zu bleiben.
Brüssel. „Geografie ist Schicksal“, pflegt der für Erweiterungsfragen zuständige EU-Kommissar, Johannes Hahn, seine Ansprachen zum Thema gern einzuleiten. Gegenüber keinem anderen Nachbarstaat der Union trifft diese Feststellung den Kern des Problems genauer als im Fall der Türkei.
Mag deren Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, sein Land auch Schritt für Schritt in eine orientalische Autokratie umrüsten, wo Opposition lebensgefährlich, das freie Wort prekär und die Haltung gegenüber dem Westen passiv-aggressiv ist: Ohne die türkische Versiegelung der Südgrenze zu Syrien und das mit Milliardenbeträgen aus Brüssel zusammengekleisterte Abkommen über die Rücknahme illegaler Migranten von den griechischen Inseln ist die nächste Migrationskrise nur einen Sommer weit entfernt. Das würde die zarte Aufbruchstimmung in Europa zunichtemachen, welche Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in das Wortbild vom Dach zu fassen pflegt, das man reparieren möge, solang die Sonne scheint.