Die deutschen Behörden haben 60 Tage Zeit für eine Entscheidung im Fall des festgesetzten katalanischen Politikers. Puigdemont bleibt vorerst in deutscher Haft.
Berlin/Madrid. Ein Häuflein Unentwegter hatte sich zur Solidaritätskundgebung vor der Justizvollzugsanstalt Neumünster in Schleswig-Holstein eingefunden. „Free Puigdemont“, skandierten die paar katalanischen Separatisten in der Kälte im hohen Norden Deutschlands, während es in ihrer Heimat, in Barcelona und Girona, bei pro-katalanischen Demonstrationen hoch herging. Ein einsamer Aktivist verwies in Neumünster auf das Recht Kataloniens auf Freiheit – auch auf deutschem Boden.
Die spanische und die deutsche Öffentlichkeit warteten am Montag stundenlang auf die erste Einvernahme des Separatistenführers Carles Puigdemont seit seiner Flucht ins Brüsseler Exil vor einem halben Jahr. Die deutschen Behörden dämpften indessen die Erwartungen der Regierung in Madrid, die über die „gute Nachricht“ aus Deutschland gejubelt hatte. Der „Rädelsführer der Rebellion“ wurde an einer Autobahnraststätte unmittelbar nach der dänischen Grenze gefasst, nach einem Tipp des spanischen Geheimdiensts, der sich an die Fersen des Ex-Premiers geheftet hatte. Das Drama um Puigdemont und seine Mitstreiter hatte eine neue Wendung genommen, eine Lösung schien in Sicht – eine Illusion, wie sich herausstellt.
Puigdemont bleibt vorerst in Gewahrsam. Das Amtsgericht Neumünster sprach am Montag eine sogenannte Festhalteanordnung aus, teilte der leitende Oberstaatsanwalt Georg Güntge mit. Die zuständige Justiz in Schleswig-Holstein werde indessen keine rasche Entscheidung fällen, verlautete aus der Staatsanwaltschaft – zumindest nicht vor Ostern. Nach den Regularien des Europäischen Haftbefehls bleiben 60 Tage bis zur Auslieferung beziehungsweise einer Ablehnung. Katarina Barley, die neue Justizministerin, erklärte, das rechtsstaatliche Verfahren nehme seinen Gang. Sie sehe keinen Anlass für eine Intervention der Politik. Regierungssprecher Steffen Seibert ließ indes Sympathien für Spanien erkennen. Rechtsexperten und Juristen wie Wolfgang Kubicki, der schleswig-holsteinische FDP-Chef, betonten, der spanische Strafbestand der Rebellion und des Staatsverrats sei vor einem deutschen Gericht nicht haltbar – allenfalls der Vorwurf des Missbrauchs öffentlicher Gelder (für den Wahlkampf und die Durchführung des Referendums). Robert Habeck, der Grünen-Chef aus Schleswig-Holstein, sprach sich für eine EU-Vermittlungsmission aus – was Madrid aber ablehnt und wofür Brüssel bis dato keine Neigung zeigte.
In Spanien zeigte sich Vizepremier Soraya Sáenz de Santamaría, zugleich Katalonien-Beauftragte der Regierung, erleichtert. Die Festnahme in Deutschland zeige, dass Europa „ein Raum des Rechts“ sei. Innenminister Juan Ignacio Zoido wies den Vorwurf zurück, dass Puigdemont & Co. „politische Gefangene“ seien. Auch Spaniens Oppositionsführer, der Sozialistenchef Pedro Sánchez, verteidigte die Festnahme Puigdemonts. „Niemand steht über dem Gesetz.“ Er bekräftigte: „Auch die Politik muss sich innerhalb der Verfassung bewegen.“ Kritik kam von der linksalternativen Protestpartei Podemos. Generalsekretär Pablo Iglesias warnte: „Die Krise in Katalonien wird nicht mit Verhaftungen und Gefängnis gelöst.“
Im katalanischen Unabhängigkeitslager ist die Stimmung nach nach der Festnahme Puigdemonts so aufgeheizt wie seit Langem nicht. Man kündigte nach ersten schweren Auseinandersetzungen einen „Katalanischen Frühling“ an.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2018)