Facebook-Datenskandal: Auch Brexit-Votum unter Betrugsverdacht

Shahmir Sanni (li.) und Christopher Wylie stellen das Brexit-Votum aus zwei Gründen in Frage.
Shahmir Sanni (li.) und Christopher Wylie stellen das Brexit-Votum aus zwei Gründen in Frage.APA/AFP/TOLGA AKMEN
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Die Brexit-Kampagne soll mit einer mit Cambridge Analytics verbundenen Firma die Briten manipuliert und das gesetzliche Kostenlimit überschritten haben, behaupten Whistleblower.

Die Facebook-Datenschutz-Affäre hat schon den US-Wahlkampf in ein zweifelhaftes Licht gerückt - nun trifft es auch die "Vote Leave"-Kampagne der britischen EU-Austrittsbefürworter. Zwei Whistleblower stellen das knappe Brexit-Votum nämlich in Frage. Dabei geht es um zweierlei Vorwürfe: einerseits um illegele Datennutzung und Zusammenarbeit Cambrigde Analytycs, andererseits um einen Gesetzesverstoß bei der Spendenobergrenze der Kampagne.

Die politischen Köpfe der "Vote Leave"-Kampagne waren immerhin zwei derzeit amtierende Minister: Außenminister Boris Johnson und Umweltminister Michael Gove. Die Anwälte der Whistleblower veröffentlichten am Montag 53 Seiten mit ausgewählten Beweisen.

Vorwurf Nummer eins: Geld floss an Cambridge Analytica

Es gibt Hinweise darauf, dass die "Vote Leave"-Kampagne die Arbeit von Cambridge Analytica über Umwege bezahlt hat. Die Gruppe investierte rund 40 Prozent ihres Budgets in die Datenanalysefirma AggregateIQ (AIQ). Das kanadische Unternehmen stehe in enger Verbindung mit Cambridge Analytica. "AIQ und Cambridge Analytca arbeiteten Hand in  Hand", sagte Datenanalyst Christopher Wylie dem "Spiegel", der Kanadier hat für Cambridge Analytics gearbeitet. Beide Firmen würden anhand von zugänglichen Daten (Vorwurf an Facebook: Selbst Daten von Freunden von Facebook-Nutzer wurden weitergegeben) Perönlichkeitsprofile erstellen, um dann Werkzeuge zur Beeinflussung zu entwickeln. "Danach führt man Menschen in einen Tunnel voller Fake News", sagte Wylie in dem Artikel.

Während Wylie behauptet, AIQ habe das Programm Ripon entwickelt, das auch Cambridge Analytica im Trump-Wahlkampf angewendet haben soll, bestreitet AIQ jegliche Verbindung der beiden Firmen.

Vorwurf Nummer zwei: illegale Weitergabe von Spenden

Politisch handfester sind die Vorwürfe auf einer anderen Front, die nur indirekt mit illegalem Datensammeln zu tun hat. Es geht um einen Spende der Brexit-Kampagne "Vote Leave" an eine Gruppe Gleichgesinnter namens "BeLeave". "Vote Leave" hatte vor dem Referndum im Juni 2016 mehr als sieben Millionen Euro Spendengelder eingesammelt und hatte damit das gesetzliche Spendenlimit erreicht. Whisteblower Shahnmir Sanni arbeitete damals für "BeLeave". Er berichtet, dass die Jugendorganisation eine Spende von 650.000 Euro von der gleichgesinnten "Vote Leave"-Gruppe bekommen hätte. Mit dem Geld sei dann AIQ für Datenanalysen und -acquise bezahlt worden. Die wesentliche Frage dabei: War "BeLeave" ein Ableger von "Vote Leave" oder handelt es sich um zwei getrennte Organisationen. Gehören beide Organisationen zusammen, wäre die Spende nicht rechtens gewesen und die Kosten für die Datenanalyse wären "Vote Leave" zuzuordnen - das Kostenlimit wäre gesprengt worden.

Brexit-Kampagnen-Vertreter dementierten am Montag, Regeln gebrochen zu haben. Man habe es hier mit einem Versuch zu tun, mithilfe von Schmutzkübeln den EU-Austritt zu unterminieren. "Können wir dem Ergebnis des Referndums vertrauen?", fragt der kanadische Whistleblower Christopher Wylie. "Wenn dieses Land einen Weg zu einer unabänderlichen Entscheidung geht, sollten wir wirklich sicher sein, dass die Basis dafür in einer freien und fairen Wahl gelegt wurde - und was die Beweise zeigen, ist, dass es Zweifel daran gibt, dass es frei und fair zugegangen ist."

"Die Wähler können sicher sein"

Matthew Elliott, dem ehemaligen Geschäftsführer der Brexit-Kampagne "Vote Leave" streitet eine Überschreitung der gesetzlichen Wahlkampfkosten-Obergrenze ab. "Vote Leave hat kein Gesetz gebrochen", sagte er gegenüber Reuters. "Die Wähler können sicher sein, dass es ein freies und faires Referendum war."

Die Wahlkommission habe bereits zwei Mal die Beziehungen von "Vote Leave" und "BeLeave" überprüft und beide Male kein Problem dabei gefunden. Auch die dritte Überprüfung würde nichts Neues zu Tage bringen. Die neuen Vorwürfe seien ein Versuch der EU-Befürworter, das Referendum in Zweifel zu ziehen.

(Reuters/Red.)

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