Verfassungsdienst hat Bedenken gegen Überwachungspaket

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ÜberwachungAPA/dpa/Sven Hoppe
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Der im Justizministerium angesiedelte Dienst regt eine Prüfung des türkis-blauen Vorhabens an. Es sei fraglich, ob die Herausgabe von Bild- und Tonaufnahmen von öffentlichen Orten ausreichend begrenzt werde, wird gewarnt.

Der im Justizministerium angesiedelte Verfassungsdienst hat Bedenken gegen das von der Regierung geplante Überwachungspaket, dessen Begutachtungsfrist am Mittwoch endet. Es sei fraglich, ob die Gründe für eine Herausgabe von Bild- und Tonaufnahmen von öffentlichen Orten ausreichend begrenzt seien, heißt es in der Stellungnahme zur Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes. Ein Prüfung wird angeregt.

Laut Innenministerium soll die optische und akustische Überwachung von Personen ausgeweitet werden. Die Behörden sollen Zugriff auf die Video- und Tonüberwachung aller öffentlichen und privaten Einrichtungen, denen ein öffentlicher Versorgungsauftrag zukommt (Verkehrsbetriebe, Flughafen, Bahnhof), bekommen. Für die Aufnahmen soll eine vierwöchige Speicherpflicht gelten. Damit gibt es eine zentrale, staatliche Kontrolle aller öffentlichen Plätze und des dortigen Lebens.

Die Änderung im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) sieht konkret vor, dass Rechtsträger des privaten Bereichs, denen "ein öffentlicher Versorgungsauftrag zukommt", zur Herausgabe von Bild- und Tondaten an die Sicherheitsbehörde verpflichtet werden sollen. Dieser Zweck, insbesondere die "Vorbeugung wahrscheinlicher gefährlicher Angriffe", ist aus Sicht der Verfassungsexperten der Regierung aber zu unbestimmt (ein "äußerst weites Einsatzgebiet"). Auch der Begriff des "öffentlichen Versorgungsauftrags" sei unklar.

Bedenken bei "pauschaler Verlängerung" der Speicherfrist

Bedenken hat der Verfassungsdienst auch bezüglich der "pauschalen Verlängerung" der Speicherfrist von Daten der Sicherheitsbehörden. Diese soll von drei auf fünf Jahre ausgeweitet werden, was im Gesetzesentwurf nicht begründet sei. Die Verfassungsexperten der Regierung fragen sich in ihrer Stellungnahme daher, ob es zur Zielerreichung auch ausreichen würde, die Speicherfrist nur im Bereich der organisierten Kriminalität sowie vergleichbaren Fällen, nicht jedoch pauschal zu verlängern.

Weitere Kritik betrifft Änderungen in der Straßenverkehrsordnung, nämlich die vorgesehene Übermittlung von Daten der abschnittsbezogenen Geschwindigkeitsüberwachung ("Section Control") und deren Speicherung für zwei Wochen. Laut Verfassungsgerichtshof (VfGH) gibt es für den Einsatz solcher Systeme eine strenge Zweckbindung sowie die Pflicht zur unverzüglichen Löschung aller anderen Daten. Die Regelung solle daher überprüft oder näher begründet werden. Auch der Autobahnbetreiber ASFINAG sieht dies in seiner Stellungnahme ähnlich.

Internet-Provider UPCvor praktischen Problemen

Mit praktischen Problemen sieht sich etwa der Internet-Provider UPC konfrontiert. Konkret geht es um die Einführung von "Quick-Freeze" als Ersatz für die von Höchstgerichten in Europa aufgehobene Vorratsdatenspeicherung. Stattdessen soll eine anlassbezogene Datenspeicherung in Verdachtsfällen eingeführt werden. Telekommunikationsfirmen können demnach beim Verdacht einer Straftat von den Behörden angewiesen werden, Daten bis zu zwölf Monate zu speichern.

Inkrafttreten sollen die Änderungen der Strafprozessordnung, des Staatsanwaltschaftsgesetzes und des Telekommunikationsgesetzes am 1. Juni. Die Betreiber hätten dann aber nur wenige Monate Zeit, technische Adaptierungen vorzunehmenden, beklagt der Provider in seiner Stellungnahme und weiter: "UPC benötigt mindestens zwölf Monate Zeit, um die neuen gesetzlichen Vorgaben der anlassbezogenen Datenspeicherung erfüllen zu können."

(APA)

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