Israel rüstet sich für Hamas-Proteste

A woman waves a Palestinian flag ahead of a protest in a tent city along Israel border with Gaza, demanding to return to their home land, east of Gaza City
A woman waves a Palestinian flag ahead of a protest in a tent city along Israel border with Gaza, demanding to return to their home land, east of Gaza City(c) REUTERS (MOHAMMED SALEM)
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Die Islamisten in Gaza starten heute, Freitag, ihren „Großen Marsch der Rückkehr“. Israelische Sicherheitskräfte befürchten, Demonstranten könnten dabei Grenzanlagen stürmen.

Jerusalem. Israels Sicherheitskräfte befinden sich in erhöhter Alarmbereitschaft. Grund dafür: Die radikalislamische Hamas im Gazastreifen hat zum „Großen Marsch der Rückkehr“ der 1948 vertriebenen Palästinenser aufgerufen. Der ausdrücklich „friedliche Protest“, wie es auf der Webseite der Hamas heißt, beginnt heute, Freitag, am „Tag der Erde“ und soll mindestens bis zum sogenannten Nakba-Tag der Palästinenser am 15. Mai andauern. Geplant ist die Errichtung einer Zeltstadt entlang der Grenzanlagen. Dabei soll auf einen Sicherheitsabstand von 700 Metern geachtet werden, um die Demonstranten, darunter auch Frauen, Kinder und ältere Leute, nicht zu gefährden. Israelische Militärexperten fürchten dennoch, dass es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen könnte.

Das Eskalationspotenzial ist vorhanden: Just vor den Massenprotesten wurde im Gazastreifen am Freitag nach Angaben der dortigen Behörden ein Bauer durch ein israelisches Panzergeschoss getötet. Ein weiterer Mensch wurde durch das Geschoss nahe der Stadt Khan Younis verletzt, wie das Gesundheitsministerium des Gebiets am Freitag mitteilte.

Der „Große Marsch der Rückkehr“ findet 70 Jahre nach Gründung des Staates Israel statt. Für die Hamas ist das ein willkommener Anlass, die palästinensischen Reihen im Kampf gegen Israel zu vereinen und gleichzeitig von den wachsenden wirtschaftlichen Problemen im Gazastreifen abzulenken. Denn der islamistischen Führung droht der Bankrott. Nachdem US-Präsident Donald Trump der von der UNO finanzierten palästinensischen Flüchtlingshilfe UNRWA die Zuwendungen gekürzt hatte, drohte nun auch Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas der Hamas mit „finanziellen Maßnahmen“, was im Gazastreifen große Verunsicherung auslöste. Abbas „brennt Brücken nieder“, kommentierte die Hamas. Er zerschlage „die Einheit unseres Volkes“.

„Botschaften auf Hebräisch“

Der „Große Marsch der Rückkehr“ ist explizit parteiübergreifend. „So dicht wie möglich an den Heimatorten, aus denen sie vertrieben wurden“, sollen sich die Demonstranten versammeln, palästinensische Flaggen und Spruchbänder hissen mit „humanitären Botschaften jeweils auf Arabisch, Hebräisch und Englisch“, sagt Chalil al-Haja, Mitglied des Politbüros der Hamas. Problematisch ist das Ziel: „Wir fordern die Besatzung auf, unser Land zu verlassen und uns dorthin zurückkehren und in Frieden und Sicherheit leben zu lassen.“ Aus dem Gazastreifen sind Israels Truppen schon vor knapp 13 Jahren abgezogen, und die israelischen Siedlungen wurden damals allesamt geräumt. Aus Sicht der Hamas endet die Besatzung aber erst mit dem Abzug der Israelis aus Israel.

So erinnert der „Tag der Erde“ an Landenteignungen im israelischen Galiläa und Proteste im Jahr 1976, bei denen sechs israelische Araber ums Leben kamen. „Es ist unser Recht“, zurückzukehren, sagt al-Haja. Das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge gehörte stets zu den Streitpunkten früherer Friedensverhandlungen.

Israels Sicherheitsapparat rechnet mit breiter Beteiligung bei den Kundgebungen und rüstet sich für einen eventuellen Sturm auf die Grenzanlagen. Grenzpolizei und Armee, darunter Scharfschützen und Einheiten zur Auflösung von gewaltsamen Demonstrationen, sind aufgerufen, „so weit wie möglich zivile Todesfälle zu vermeiden“, schreibt Amos Harel, Militärkorrespondent der liberalen Haaretz.

Mit Tränengas beladene Drohnen stehen bereit, zudem gelte die Order, zunächst in die Luft und dann auf die Beine zu schießen, sollte der Versuch unternommen werden, Grenzanlagen zu stürmen. Harel spekuliert, dass es bei dem Versuch eines „massenhaften Grenzdurchbruchs“ zu „Dutzenden oder Hunderten verletzten Palästinensern“ kommen könnte.

Männer mit Handgranaten

Dass die Soldaten nervös sind, zeigt ein Fehlalarm, der zuletzt den Abschuss von rund einem Dutzend Abwehrraketen auslöste. Zugleich übersahen die Grenzschützer zweimal innerhalb von wenigen Tagen mehrere Palästinenser, die sich durch die Trennanlagen nach Israel schlichen. Drei Männer, die Handgranaten und Messer bei sich trugen, wurden festgenommen. Die Palästinenser waren bereits 20 Kilometer weit auf israelisches Gebiet vorgedrungen. „Das hätte nicht passieren dürfen“, kommentierte Armeesprecher Ronen Manelis den Zwischenfall, der sich ausgerechnet zu einer Zeit erhöhter Alarmbereitschaft ereignet hatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2018)

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