Der explosive Fall Puigdemont

Ein Unabhängigkeits- Befürworter bei einer Demonstration für den früheren Regionalpräsidenten Kataloniens Carles Puigdemont.
Ein Unabhängigkeits- Befürworter bei einer Demonstration für den früheren Regionalpräsidenten Kataloniens Carles Puigdemont.REUTERS
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Die Generalstaatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein will den in Deutschland festgenommenen Separatistenführer an Spanien ausliefern, nun muss das Gericht entscheiden. Angela Merkel schweigt bisher.

Berlin/Wien. Für die Staatsanwälte in Schleswig-Holstein ist die Sache klar: Der ehemalige katalanische Regierungschef Carles Puigdemont soll an Spanien ausgeliefert werden. Am Dienstag beantragte die Generalstaatsanwaltschaft des deutschen Bundeslandes, in dem Puigdemont vor zehn Tagen festgenommen wurde, einen Auslieferungshaftbefehl beim Oberlandesgericht. Was kommt jetzt? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

1. Was genau wirft Spanien dem katalanischen Separatistenführer Puigdemont vor?

Der Vorwurf lautet: Rebellion gegen die Staatsgewalt sowie Veruntreuung öffentlicher Gelder. Der Grund: Puigdemont hatte im Oktober 2017 ein verbotenes Unabhängigkeitsreferendum organisiert und die Unabhängigkeit der Region von Spanien erklärt. „Rebellion“ ist laut spanischem Recht mit dem Einsatz von Gewalt verbunden. Erst vor einer Woche hat Puigdemonts spanischer Anwalt deshalb Einspruch gegen die Vorwürfe der spanischen Justiz eingelegt. Der Vorwurf der Rebellion sei nicht haltbar, weil es keine gewaltsame Erhebung gegeben habe, lautet die Argumentation. Wenn es im Zuge des Unabhängigkeitsreferendums überhaupt zu Gewalt gekommen sei, habe es sich um „isolierte“ Fälle gehandelt, erklärte Jaume Alonso-Cuevillas. Für diese seien allein die Urheber verantwortlich.

2. Wie geht es nach dem Antrag des Generalstaatsanwalts weiter?

Jetzt ist das Oberlandesgericht von Schleswig-Holstein am Zug. Es muss zunächst entscheiden, ob Puigdemont in Auslieferungshaft genommen wird. Das dürfte einige Tage dauern. In einem zweiten Schritt muss das Gericht dann feststellen, ob eine Übergabe von Puigdemont an die spanischen Behörden rechtlich zulässig ist. Für eine Auslieferung ist entscheidend, dass die Vorwürfe, um die es geht, auch nach deutschem Recht strafbar wären. Das Gericht muss kniffelige Fragen klären: Entspricht der Straftatbestand „Rebellion“ in Spanien in der Substanz dem „Hochverrat“ im deutschen Strafrecht? Und: Kann man Puigdemont wirklich einen gewaltsamen Umsturzversuch vorwerfen, wie die spanische Justiz argumentiert? Tatsächlich hat er nie zu Gewalt aufgerufen.

Sollte das Gericht einer Auslieferung zustimmen, liegt die Entscheidung wieder bei der Generalstaatsanwaltschaft. Puigdemont selbst könnte beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Auslieferung vorgehen. Sein deutscher Anwalt hat bereits angekündigt, sich an Karlsruhe wenden zu wollen.

3. Warum konnte Puigdemont in Deutschland überhaupt festgenommen werden?

Zwei Tage vor seiner Festnahme am 25. März erließ das Oberste Gericht in Spanien einen Europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont. Europäische Haftbefehle wurden 2004 eingeführt und haben das Ziel, die oft langwierigen Auslieferungsverfahren innerhalb der EU zu verkürzen. Puigdemont, der eigentlich im belgischen Exil lebt, befand sich zum Zeitpunkt des Haftbefehls in Finnland. Bei seiner Rückreise über Dänemark und Deutschland in Richtung Belgien nahm ihn die deutsche Polizei, von den spanischen Behörden informiert, kurz hinter der Grenze fest. Finnen und Dänen ließen ihn unbehelligt, womöglich aus politischen Gründen. Es wird aber auch spekuliert, dass Spanien eine Festnahme in Deutschland bewusst provoziert hat, weil der deutsche „Hochverrats“-Vorwurf dem spanischen Rebellions-Paragrafen ähnelt und eine Auslieferung somit möglich ist.

4. Hat die deutsche Bundesregierung eigentlich ein Wörtchen mitzureden?

Ja. Die deutsche Regierung könnte die Auslieferung am Ende erlauben oder eben verhindern. Die deutschen Anwälte Puigdemonts haben genau das auch von Berlin gefordert: „Wir erwarten, dass die Bundesregierung (. . .) von ihrer im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen wird, die Auslieferung nicht zu bewilligen.“ Danach sieht es aber nicht aus: Bisher hatte es aus Berlin stets geheißen, man werde politisch nicht eingreifen, falls die Justiz eine Auslieferung zulasse. Der Katalonien-Konflikt sei eine innerspanische Angelegenheit und müsse in Spanien gelöst werden. Für Berlin ist der Fall heikel. Stimmt die Regierung einer Auslieferung nicht zu, verärgert sie einen wichtigen EU-Partner. Wird Puigdemont überstellt, droht die Lage in Katalonien zu eskalieren.

5. Was passiert, wenn Carles Puigdemont tatsächlich ausgeliefert wird?

Im schlimmsten Fall drohen ihm in Spanien bis zu 30 Jahre Haft. Dazu müsste ihm nachgewiesen werden, dass er der Urheber einer gewaltsamen Rebellion ist. Auf die Beteiligung an einem Umsturzversuch stehen zehn bis 15 Jahre Haft. Das Verfahren käme zu einer Zeit, in der die Unabhängigkeitsbewegung stark geschwächt ist. Die Separatisten haben im Regionalparlament zwar eine Mehrheit, sind aber chronisch zerstritten.

AUF EINEN BLICK

Carles Puigdemont wurde am 25. März auf Basis eines Europäischen Haftbefehls im deutschen Bundesland Schleswig-Holstein festgenommen. Die spanischen Ermittler werfen ihm Rebellion und die Veruntreuung von Staatsgeldern vor. Die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig hat nun einen Auslieferungshaftbefehl beim Oberlandesgericht beantragt. Nach intensiver Prüfung des Haftbefehls der Justizbehörden in Madrid sei man zu dem Schluss gekommen, dass eine Überstellung berechtigt sei, hieß es vonseiten der Staatsanwälte. Nach der Unabhängigkeitserklärung des katalanischen Parlaments war Puigdemont im vergangenen Herbst nach Belgien geflüchtet. In Deutschland befand er sich auf der Durchreise.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2018)

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