Kaffee in Österreich: Bewusstsein für die Bohnen

Seine CO2-Bilanz ist schlecht, Umwelt und Bauern haben oft das Nachsehen: Wie kann Kaffee trotzdem nachhaltig gehandelt und konsumiert werden? Kaffeeexperten machen sich Gedanken.

Der Mensch ist furchtbar! Er ist nicht nachhaltig, unser Misthaufen wird immer größer." Oliver Goetz, Mitinhaber von Alt Wien Kaffee, lehnt an der Bar seines Geschäfts in der Wiener Schleifmühlgasse neben frischen Filterzubereitungen, Espressi und Cupping-Schalen, die zur Verkostung bereitstehen. Rund 50 Sorten warten hier auf experimentierfreudige Gaumen, in Liesing geröstet und in rote oder schwarze Packerln gefüllt, je nach "modern"-fruchtigem oder "konventionell"-säurearmem Röstaroma. Goetz will Kunden nach individuellem Geschmack versorgen, aber auch Neugier wecken und dazu anregen, Kaffee nicht nur als selbstverständlichen Muntermacher zu sehen.

Keine Frage, Europa liegt beim Konsum ganz vorn. Pro Kopf verbraucht man in Österreich im Jahr rund acht Kilo Rohkaffee, so die Statistik. Wie lassen sich trotz Massenmarkt und Furchtbarkeiten des menschlichen Handelns Schritte zu einem bewussten und auch nachhaltigen Konsum machen? "Einige Leute interessieren sich schon: Wo kommt der Kaffee her, wer hat ihn angebaut, wie wurde er geröstet, welche Nuancen kann er haben?", sagt Goetz. Auch bei den Produzenten ist das Bewusstsein für hochwertigen Kaffee gestiegen. Noch immer öffnen stetig Mikroröstereien, beobachtet Goetz.

Oliver Goetz zelebriert guten Kaffee.
Oliver Goetz zelebriert guten Kaffee.Anna Zermann/Alt Wien Kaffee

Gern wird von der "Third Wave"-Bewegung gesprochen, die von den USA und Skandinavien kommend längst auch Österreich erreicht hat, und bei der Röster neben besserer Qualität auf eine transparente Produktionskette setzen. Schon eine vierte, gar fünfte Welle soll es geben Definitionen und zeitliche Einteilungen derer sind nichts für Goetz: "Ich bin kein Schubladendenker." Dennoch stimmt: Kaffeeexperten wie er, von kleinen oder mittelgroßen Röstereien, wollen Fragen der guten, gerechten Produktion mitdenken. Ein Aspekt ist der Preis. "Wenn man in die Herkunftsländer fährt und sich anschaut, was dort abgeht, merkt man schnell, dass die Bauern noch immer viel zu wenig bekommen. Kaffee durchläuft von der Pflanze über die Aufbereitung viele Prozesse, bis er zu uns kommt, dann erfolgt noch das Rösten und die richtige Zubereitung. Da steckt so viel dahinter, dass es verdient wäre, wenn die Leute mehr zahlen."

Fairer Handel

Ein weiterer Punkt: keinen Raubbau an der Natur treiben, etwa Monokulturen pflanzen oder mit Unmengen an Pestiziden düngen. Beim Anbau in großem Stil ist derlei aber gängig, weiß Goetz, der etliche Kaffeegebiete bereist hat. "Man muss von der Sozialromantik weg, dass irgendwo ein Bauer sitzt, fünf Sträucher hinpflanzt und deren Früchte herschickt." Deshalb ist für ihn "Nachhaltigkeit" eine Worthülse: "Kaffee ist wie die meisten Produkte, die wir konsumieren, nicht nachhaltig. Weil die Wirtschaft auf Wachstum basiert." Auch der Wasserverbrauch in der Produktion sei enorm. Zwar "kein Freibrief, dass alles gut ist", aber ein Schritt hin zu Gerechtigkeit und Umweltschutz seien Zertifikate, die fairen und ökologischen Handel anstreben: Gut die Hälfte der Kaffees bei Alt Wien sind Fairtrade und bio, eine Varietät aus Brasilien trägt das Demeter-Zertifikat für biodynamischen Anbau.

Nicholas Franze hat viel zu erzählen.
Nicholas Franze hat viel zu erzählen.Bianca Hochenauer/Cafebrennerei Franze

"Bio und Fairtrade sind die einzigen Labels, die bei großen Handelsmengen etwas bewirken", sagt auch Nicholas Franze. Der Kaffee- und Teearbeiter war in der gesamten Kaffeekette tätig: als Röster bei Alt Wien, im Rohkaffeehandel in Hamburg und Kolumbien, bei einer Kooperative in Honduras. Nun ist er seit fast zwei Jahren in Währing sesshaft, wo er selbst gerösteten Kaffee und Tee ausschenkt und verkauft. Franze berät hier mit Hingabe seine Kunden. Auch für Fairtrade tritt er immer wieder als Berater und Verkoster auf. Bei Gedanken zu nachhaltigem Kaffee steht für ihn das Thema soziale Gerechtigkeit vorn. "In Honduras habe ich gesehen, wie die Kooperative mit Fairtrade ein Spital aufgebaut hat, wo es weit und breit nichts gab", erzählt er, "aber selbst bei Fairtrade ist noch Luft nach oben." Neben dem Preis, der ruhig um vier bis fünf Prozent höher sein könnte (Fairtrade zahlt immerhin einen vom volatilen Weltmarkt unabhängigen Mindestpreis, der sich bei zusätzlichem Biozertifikat nochmal um knapp zwanzig Prozent erhöht) sei das größere Problem die globale Verteilung. Export der Lebensmittel in den reichen Westen ist überlebensnotwendig. Fairtrade unterstützt Kooperativen von Kleinbauern beim Handel. "Ein neues Projekt von mir ist Kaffee von Frauenkooperativen", so Franze.

Johanna Wechselberger bevorzugt Direct Trade.
Johanna Wechselberger bevorzugt Direct Trade.(c) Dominique Hammer

Wie Wein

Franze bietet derzeit etwa 20 Sorten an nur ein Teil davon ist zertifiziert. Wie bei Goetz sind die Kaffees ohne Siegel aber mit Acht ausgesucht, reichen von täglich leistbaren bis zu Luxuskaffees wie "Geisha" oder "Jamaica Blue Mountain" um knappe 200 Euro das Kilo.
Spezialitätenkaffees hat auch der St. Pöltner Röster Felix Teiretzbacher. Sämtliche seiner Varietäten haben mehr als 80 Punkte beim Cup of Excellence erreicht, einem Wettbewerb für Spitzenkaffees. In der kleinen Szene dieser "Speciality Coffes", in der es um besondere Geschmacksprofile geht, wird Kaffee schon mal mit Wein verglichen, man redet von Terroir, elegantem Abgang und Aromen wie Marzipan, Bergamotte, Orangenblüte. "Es gibt etwa 1000 benannte Aromen, die im Kaffee vorkommen können", so Teiretzbacher. Für Kaffees mit derlei Auszeichnung bekommen Bauern durchaus noch mehr als die Fairtrade-Preise bezahlt.

Felix Teiretzbacher will Qualität und Fairness.
Felix Teiretzbacher will Qualität und Fairness.Thomas Schnabel

Röster setzen zunehmend auch auf direkten Handel solcher Qualitätskaffees. Eine Vertreterin des sogenannten Direct Trade ist die Rösterin Johanna Wechselberger (Vienna School of Coffee). Kontakt zu den Farmern (mal mit Besuch vor Ort, mal über Zwischenhändler), Bezahlung nach Güte: Vorteile, die neben ihr ebenso Teiretzbacher anspricht. "Manche Qualitäten der Speciality Coffees fehlen mir bei Fairtrade noch", so Teiretzbacher. Doch sollte man den Qualitätsanspruch nicht überstrapazieren. Kaffee ist ein Naturprodukt, Schwankungen im Ertrag gehören dazu und Bauern, die nicht die hochwertigste Ernte haben, sollten auch nicht verhungern. Zudem ist nur für wenige der direkte Handel logistisch möglich. Gerade dann hat Fairtrade der das Image von bitterem Weltladen-Kaffee längst abgelegt hat Sinn, meint auch Teiretzbacher. Er hat neben direkt gehandelten Röstungen auch eine Fairtrade-Bio-Mischung im Angebot. Aber freilich gehört zum nachhaltigen Denken nicht nur der richtige Anbau und Handel, ist er überzeugt, auch man selbst ist gefragt: So verzichtet er zum Beispiel auf Aluminium bei der Verpackung des Kaffees, seine Maschinen laufen im Eco-Betrieb.

Bezug

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.