Ausgewiesene US-Diplomaten verlassen Moskau

US-Diplomaten werden mit Bussen abgeholt.
US-Diplomaten werden mit Bussen abgeholt.AFP/VASILY MAXIMOV
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In Bussen werden die ersten US-Botschaftsangehörigen zum Flughafen der russischen Hauptstadt gebracht. Unterdessen wächst die Kritik am britischen Vorgehen gegen Moskau. Washington will russische Oligarchen ins Visier nehmen.

Eine erste Gruppe aus Russland ausgewiesener US-Diplomaten hat die US-Botschaft in Moskau verlassen. Dutzende Botschaftsangehörige brachen Donnerstag früh mit ihren Familien in Bussen Richtung Flughafen auf, wie Medien berichteten. Im Streit um die Verantwortung für den Giftanschlag auf einen Ex-Spion in Großbritannien hatte Moskau insgesamt 60 US-Diplomaten zu unerwünschten Personen erklärt.

Mit der Ausreiseverfügung reagierte Moskau auf die Ausweisung einer gleich großen Anzahl russischer Diplomaten aus den USA. Diese waren am Osterwochenende in ihr Heimatland zurückgekehrt. Insgesamt haben die USA, Großbritannien und andere westliche Staaten mehr als 150 russische Diplomaten ausgewiesen. Damit reagierten sie auf den Giftanschlag auf den früheren Doppelagenten Sergej Skripal am 4. März im südenglischen Salisbury. Der Anschlag in London war auch Thema einer Sondersitzung der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW).

Inzwischen sollen britische Experten einem Medienbericht zufolge das russische Labor identifiziert haben, aus dem das Gift für den Anschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal stammen soll. Dies sei mit Hilfe von wissenschaftlichen Analysen und der Geheimdienste gelungen, berichtete die Zeitung "The Times" am Donnerstag. Die Experten seien sich recht sicher, wenn auch nicht zu 100 Prozent. Eine klare Quelle nannte das Blatt allerdings nicht.

Ein Regierungssprecher wollte den Bericht auf Anfrage nicht kommentieren. Die britische Forschungsanlage Porton Down hatte zuvor berichtet, dass die präzise Quelle für das Nervengift Nowitschok unklar sei.

Kritik an britischem Außenminister wächst

Wegen seiner Vorwürfe an Moskau gerät der britische Außenminister Boris Johnson deshalb zunehmend unter Druck. In einem Interview mit der Deutschen Welle hatte Johnson kürzlich auf die Frage nach Belegen für die Herkunft des Gifts aus Russland gesagt: "Als ich nach dem Beweis geschaut habe, waren die Leute des Laboratoriums Porton Down sehr bestimmt." Er habe einen Experten dort gefragt: "Sind Sie sich sicher? Der habe geantwortet: "Es gibt keinen Zweifel." Dies habe zu den Maßnahmen gegen Russland geführt.

Labour-Chef Jeremy Corbyn warf Johnson vor, dass er entweder nicht all sein Wissen preisgebe oder übertreibe. Labour-Politikerin Diane Abbott sprach von Irreführung der Öffentlichkeit. Johnson erwiderte, dass der Oppositionschef genauso wie Russland versuche, Großbritannien zu diskreditieren.

Der Russlandbeauftragte der deutschen Regierung, Gernot Erler, forderte am Donnerstag, dass man vor weiteren Maßnahmen gegen Russland die Analyse des Gifts abwarten solle.

Auch der EU-kritische tschechische Ex-Präsident Vaclav Klaus kritisierte die westliche Reaktion in der Skripal-Affäre scharf. Die Ausweisung russischer Diplomaten sei "etwas kindisch" gewesen, sagte er der Zeitung "MF Dnes". "Da die Slowakei, Slowenien, Österreich und Ungarn nichts Derartiges getan haben, wäre ich lieber ein Bürger dieser Länder", fügte der 76-Jährige hinzu. Tschechien hatte aus Solidarität mit Großbritannien drei russische Botschaftsangehörige ausgewiesen.

Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats

Der UN-Sicherheitsrat in New York soll noch am Donnerstag auf Antrag der Veto-Macht Russland zu einer Dringlichkeitssitzung  zusammenkommen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte im Vorfeld, die britische Regierung könne "legitime Fragen" Russlands nicht übergehen. Er forderte erneut eine "substanzielle und verantwortliche" Untersuchung in Übereinstimmung mit der Chemiewaffen-Konvention.

Die beim Giftanschlag von Salisbury schwer verletzte Julia Skripal gab unterdessen erstmals seit der Attacke vor einem Monat eine Erklärung ab. Sie fühle sich "von Tag zu Tag kräftiger", gab die 33-Jährige in einer am Donnerstag von der britischen Polizei verbreiteten Mitteilung bekannt. Vor mehr als einer Woche sei sie aufgewacht.

Sie sei dankbar für die "zahlreichen unterstützenden Botschaften", die sie bekommen habe und bat darum, während ihrer Genesung "mein Privatleben und das meiner Familie" zu respektieren, so Julia Skripal. Ihr 66-jähriger Vater befinde sich weiter in "stabilem", aber lebensbedrohlichem Zustand, teilte das Krankenhaus mit.

US-Sanktionen gegen Verbündete Putins

Zugleich erhöhen die USA auch in einer anderen Causa weiter den Druck auf Russland. Washington dürfte verstärkt gegen einzelne russische Oligarchen vorgehen. Schon demnächst sollen Sanktionen gegen einige von ihnen verkündet werden, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters. Zu den Betroffenen sollen auch Menschen mit Naheverhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin gehören. Das Präsidialamt und das Finanzministerium lehnten eine Stellungnahme ab.

Der Nachrichtensender CNN wiederum berichtete, dass Sonderermittler Robert Mueller zumindest drei Oligarchen bei ihrer Einreise in die USA befragt und ihre Telefone überprüfen habe lassen.

Basis für Maßnahmen gegen Oligarchen sei das "Countering America's Adversaries Through Sanctions Act" (CAATSA), das als Reaktion auf die Annexion der Krim 2014 durch Russland und den Vorwurf der Einmischung in den US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 verabschiedet wurde.

US-Geheimdienste gehen davon aus, dass Moskau sich in den Präsidentschaftswahlkampf 2016 mit Hacker-Angriffen und Propaganda eingemischt hat. Dies habe später zum Ziel gehabt, die Wahl zugunsten von Donald Trump zu beeinflussen. Russland bestreitet die Einmischung.

Die Sanktionen gegen Oligarchen würden Maßnahmen vom 15. März ergänzen. Damals wurden Strafmaßnahmen gegen 19 Personen und fünf Institutionen, darunter russische Geheimdienste, verhängt. Grund dafür waren Cyberangriffe der vergangenen zwei Jahre.

(APA/AFP/Reuters)

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