Königsdisziplin: Denkmuster ändern

Akos Burg
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Porträt. Als Europe Co-Leader von Ashoka sucht Marie Ringler Menschen, die mit ihrer Idee ihren Sektor revolutionieren, die mit unternehmerischem Geist gesellschaftliche Probleme lösen.

Von ihren Mitarbeitern erwartet Marie Ringler, dass sie unternehmerische Persönlichkeiten sind. „Sie müssen nicht Bilanz lesen können“, sagt die 42-Jährige, „aber sie müssen Herausforderungen als Chancen erkennen.“ Außerdem in der Lage sein, Ressourcen zu nutzen und Allianz einzugehen. Sie selbst hat es vorgelebt. Schon bevor sie für die Wiener Grünen in Landtag und Gemeinderat einzog, hatte die studierte Soziologin und Politikwissenschaftlerin die Geschäftsführung der Public Netbase t0 übernommen.

Nach dem Ausscheiden aus der Politik 2010 gründete sie das Länderbüro von Ashoka in Österreich. Die Organisation fördert seit mehr als 35 Jahren weltweit Social Entrepreneurs, also Sozialunternehmer. „Das sind Menschen“, sagt Ringler, „die mit ihrer Idee ihren Sektor revolutionieren, mit unternehmerischem Geist gesellschaftliche Probleme lösen und unsere Dörfer, Gemeinschaften, Gesellschaften besser machen wollen.“ Gegründet hatte sie die Wiener Dependance in einer Zeit, als die Folgen der Wirtschaftskrise noch deutlich zu spüren waren. Geschadet hätten sie nicht, sagt sie. Sie hätten bei ihren Partnern aus der Wirtschaft vielmehr ein neues Bewusstsein für Verantwortung hervorgerufen.

Schnurstracks nach oben

Rasch, bereits 2012, stieg Ringler zur Regionaldirektorin für Zentral- und Osteuropa auf, 2015 rückte sie in das strategische Führungsteam für Europa. Und vor wenigen Wochen wurde sie als Europe Co-Leader bestellt. Das bedeutet die Verantwortung für 18 Länderbüros, 120 Mitarbeiter, mehr als 550 Social Entrepreneure, rund zehn Millionen Euro Jahresumsatz und rund 30 Investoren und ebensoviele Pro-Bono-Partner, die die Organisation in Europa unterstützen.

Natürlich gebe es auch Kenngrößen, an denen sie sich misst und an denen sie gemessen wird. Entscheidend sei nicht, sagt Ringler, wie stark und wie schnell die Organisation wachse, sondern wie viele Menschen mit dem Anliegen, Sinn und Nutzen von Sozialunternehmertum zu zeigen, erreicht werden. Dabei gehe es nicht darum, einzelne Lösungen der Sozialunternehmen als die Alleinseligmachenden zu preisen, sondern zu sagen: Das ist eine Möglichkeit, die Ashoka samt einer Expertenjury für wirksam und gut hält. Denn hinter jedem Problem stecke ein Denkmuster, sagt Ringler: „Die Königsdisziplin ist, Denkmuster zu ändern.“

Als Beispiel, wie eine Haltung erfolgreich verändert wird, nennt sie die Zusammenarbeit mit autistischen Menschen. Es komme nicht darauf an, wie viele autistische Menschen einen Job vermittelt bekommen, sondern um die Veränderung einer Haltung: Das sind nicht Menschen mit einem Defizit, sondern Menschen mit einer besonderen Begabung (siehe auch „Datenströme statt Datenbanken“).

Wirksam werden – für andere

Und genau dafür sucht sie über die Ländergrenzen hinweg Menschen, als Mitarbeiter wie als Fellows, die von Ashoka finanziell und inhaltlich unterstützt werden, die sich als wirksam wahrnehmen. Und zwar nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere.

In einer Organisation wie Ashoka mit unternehmerisch denkenden Menschen funktioniere ein hierarchischer Zugang nicht, sagt Ringler. Angesichts der vielen Sprachen und der unterschiedlichen Märkte müsse man sich agil aufstellen. Für sie heiße das: lokale Autonomie ermöglichen und den Blick auf das große Ganze wahren. Daher führe sie vertrauensbasiert mit Blick auf die Potenziale der Mitarbeiter: Was ist das Nächste, das Du tun kannst? Wie kannst Du weiter wachsen?

ZUR PERSON

Marie Ringler (42) startet 2011 nach ihrer politischen Tätigkeit für die Wiener Grünen Ashoka in Österreich. Die Organisation fördert seit 1980 weltweit Sozialunternehmen. Seit heuer ist Ringler als Europe Co-Leader für 18 Länderbüros, 120 Mitarbeiter und mehr als 550 Social Entrepreneure zuständig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2018)

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