Mit Milliardeninvestitionen in das Seidenstraßenprojekt will China seinen Weltmachtanspruch zementieren. Es drängte Österreichs Regierung vor dem Staatsbesuch zu einem Abkommen und blitzte ab.
Wien/Peking. Eine neue Ära ist angebrochen. China greift nach der Hegemonie auf der Weltbühne. Beharrlich und systematisch baut das Reich der Mitte seine Macht auf dem Globus aus. Die rasante turbokapitalistische Aufholjagd der vergangenen drei Jahrzehnte hat die Staatskassen prall gefüllt. Und damit geht das kommunistische Regime gezielt auf weltweite Einkaufstour. Es hat das größte Investitionsprogramm der Geschichte angestoßen: die Seidenstraßeninitiative oder offiziell „Belt and Road“.
Zu Land und zu Wasser, auf Schienen und Schiffen legt China riesige, hochmoderne Handelsrouten quer über den Planeten. Es geht um Macht – und um viel Geld. Alle wollen von diesem neuen Goldrausch profitieren. Egal, ob sich Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping die Herrschaft auf Lebenszeit gesichert hat. Egal, ob ein totalitärer Überwachungsstaat entsteht. Wo geklotzt wird statt gekleckert, gelten Menschenrechte nur noch als Kinkerlitzchen, die man pflichtschuldig fürs Protokoll anspricht.
Ein Staats- und Regierungschef nach dem anderen gibt sich in Peking die Klinke in die Hand, um die 1,4 Milliarden Einwohner zählende
Wirtschaftsmacht gewogen zu stimmen. Samstag früh landet in Peking eine ansehnliche österreichische Delegation in Peking: 250 Köpfe zählt sie, darunter 170 Wirtschaftstreibende. Einen größeren Staatsbesuch im Ausland hat es in der Geschichte der Republik noch nicht gegeben.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat fast die halbe Regierung im Schlepptau: Kanzler Sebastian Kurz, Außenministerin Karin Kneissl, Infrastrukturminister Norbert Hofer, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Umweltministerin Elisabeth Köstinger. Heinz-Christian Strache bleibt in Wien, eine Woche lang wird er die Regierungsgeschäfte übernehmen. Noch zum Seidenstraßengipfeltreffen im Mai hatte Österreich kein einziges Kabinettsmitglied entsandt, doch unter Türkis-Blau schaffte es die „Seidenstraße“ ins Regierungsprogramm.
Seit Monaten bereiten Beamte und Diplomaten die Visite vor. Die Chinesen machen gerne Nägel mit Köpfen. Sie dockten zunächst bei Hofer an und legten dem Infrastrukturministerium ein Memorandum of Understanding zur Seidenstraßeninitiative vor. Für Peking wäre es ein Triumph, wenn ein westeuropäisches Land diese höchst umstrittene Absichtserklärung unterzeichnen würde. Denn zuletzt hatte China zuletzt zwei prominente Abfuhren erhalten.
Brückenköpfe in Osteuropa
Frankreichs Präsident Macron gab sich im Jänner in Peking widerborstig. Er stellte Gegenforderungen und bekam prompt Unmut zu spüren: Macron musste ohne Airbus-Deal abreisen. Auch die britische Premierministerin Theresa May wollte das Abkommen im Februar nicht unterfertigen. Der in Stein gemeißelte Vertrag mit China hat Tücken: Die Vertragspartner verpflichten sich etwa, chinesische „Kerninteressen“ wie die Taiwan-Frage oder Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer zu „respektieren“.
Brüssel arbeitet auf Bitte der Mitgliedsstaaten nun an Empfehlungen, wie mit den Absichtserklärungen umzugehen sei. In der EU unterzeichneten die Verträge bisher nur Staaten, die auch Mitglieder der 16+1-Kooperation, der chinesischen Osteuropa-Initiative, sind. Auffällig daran: Ungarn, das besonders von Geldern aus China profitiert, kippte in den vergangenen Monaten mehrere EU-Beschlüsse, die den Interessen der Volksrepublik widersprachen.
Peking lockt die elf EU-Länder und fünf Westbalkanstaaten mit Milliardeninvestitionen. Ein (intransparentes) Prestigeprojekt ist die Bahnverbindung von Belgrad nach Budapest. Ein kleiner Teil nur von Chinas Vision, eine Verbindung von Athen am Mittelmeer bis zur Ostsee zu schaffen. Wien käme eine Funktion als Brückenkopf zu, samt Ausbau des Güterbahnhofs in Wien-Inzersdorf. Doch die Regierung, vor allem das Außenamt, reagierte auf das Drängen aus China, sich an der 16+1-Kooperation zu beteiligen, bisher zurückhaltend. Man will nicht mit 16 anderen in einen Topf geworfen werden.
Wien bleibt im EU-Mainstream
Und auch den Seidenstraßen-Vertrag wird Österreich vorerst nicht unterschreiben. Infrastrukturminister Hofer ließ die chinesische Dokumente nach Informationen der „Presse“ dem Kanzleramt und dem Außenministerium vorlegen. Von dort jedoch kam rotes Licht. Der Vertrag sei mit den Vergaberichtlinien der EU nicht kompatibel und außerdem wolle man abwarten, bis die Empfehlungen der EU ausformuliert seien.
Hofer und Ministerkollegen werden in China trotzdem jede Menge Abkommen unterzeichnen: von Rechtshilfe bis Forschungszusammenarbeit. Auch an einer Absichtserklärung zur Seidenstraße wurde bis zuletzt gefeilt. Sie wird jedoch nur die Eisenbahn betreffen. Für Symbolik jedenfalls ist gesorgt. Am letzten Tag der Reise sollen Kanzler Kurz und ÖBB-Chef Matthä einem Rail-Cargo-Zug nachwinken, der von Chengdu nach Wien aufbricht. Auf der Seidenstraße.
("Die Presse"-Printausgabe 6.4.2018)