USA: Rücktritts-Epidemie bei Demokraten

(c) Reuters (Mike Segar)
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Prominente Abgeordnete schrecken vor einer Niederlage bei Kongresswahl zurück. Der Rücktritt des Demokraten Evan Bayhs Rücktritt spiegelt den Unmut der Amerikaner mit ihrem Parlament wider.

WASHINGTON. Evan Bayh galt als Senkrechtstarter. Mit 32 Jahren war er bereits Gouverneur von Indiana, mit 42 Jahren schaffte der Sohn eines Senators mit dem ungewöhnlichen Namen selbst den Sprung in den Senat. Zweimal kam er in den engsten Kreis der Anwärter für die Vizepräsidentschaft. Sein Weg schien vorgezeichnet. Das Weiße Haus würde End- und Höhepunkt seiner politischen Karriere sein, dachten viele.

Doch am President's Day – dem Tag, an dem das Land sich aus Anlass des Geburtstags George Washingtons seiner Präsidenten erinnert – begrub der 54-jährige Demokrat seine Ambitionen. Flankiert von seiner Frau und den beiden Söhnen erklärte Bayh seinen Rücktritt. Er werde bei den Kongresswahlen im November nicht mehr antreten. Evan Bayh zeigte sich frustriert über den Stillstand im Kongress: „Es gibt dort zu viel Parteidenken und zu wenig Fortschritt, zu viel engstirnige Ideologie und zu wenig Willen, Probleme praktisch anzupacken.“ Daneben dominiere zu sehr die Notwendigkeit, Spenden für die nächste Wahlkampagne zu akquirieren, kritisierte er das politische System.

Angst vor Denkzettelwahl

Bayhs Rücktritt spiegelt den Unmut der Amerikaner mit ihrem Parlament wider. Mehr als zwei Drittel der US-Bürger sind unzufrieden mit der Arbeit im Kongress und der Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern. Viele Gesetzesvorhaben, darunter die Gesundheitsreform, liegen wegen der strikten Ablehnungsfront der Opposition auf Eis.

In beiden Lagern zittern viele altgediente Abgeordnete um ihren Sitz. Bei den Republikanern sehen sich prominente Politiker wie Ex-Präsidentschaftskandidat John McCain durch Außenseiter herausgefordert. Am meisten indes haben die Demokraten eine Denkzettelwahl zu fürchten. Ihre klare Mehrheit in beiden Kammern steht an der Kippe. Selbst Senatsführer Harry Reid kämpft verbissen um seine Wiederwahl.

Die Wahl des Republikaners Scott Brown in der demokratischen Hochburg Massachusetts hat Schockwellen durch die Regierungspartei gejagt. Präsident Obama reaktivierte daraufhin seinen Wahlkampfmanager David Plouffe für die demokratische Partei. Doch auch er konnte die Rücktrittsepidemie unter den Demokraten nicht eindämmen.

Zuletzt verkündete Patrick Kennedy, der Sohn Ted Kennedys, seinen Rückzug aus der Politik – und läutete damit das Ende einer Dynastie ein. Seit 1947 waren die Kennedys im Kongress vertreten. Auch Beau Biden, der Sohn des Vizepräsidenten Joe Biden, mochte sich nicht als Kandidat für den langjährigen Sitz seines Vaters in Delaware einspannen lassen. Und in Illinois ist sogar der ehemalige Senatssitz Obamas in Gefahr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2010)

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