Türkei: Ilisu-Staudamm wird ab April gebaut

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Weder Gerichtsurteile noch Proteste können das umstrittene Projekt stoppen. Dabei forderte erst vorige Woche das Europäische Parlament einen Baustopp für Ilisu.

Istanbul (keet). Der Bau des umstrittenen Ilisu-Staudammes am Tigris soll im April beginnen. Das teilte die Zeitung „Sabah“ gestern mit. Wenige Tage zuvor hatte ebenso der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan von einem baldigen Baubeginn gesprochen.

Dabei forderte erst vorige Woche das Europäische Parlament einen Baustopp für Ilisu. Außerdem hatte ein Gericht Mitte Januar die Enteignung einer Landparzelle für ungültig erklärt, deren Besitzer umgesiedelt werden sollten. Das Gericht berief sich dabei darauf, dass die Kommission zum Schutze von Kulturgütern und Naturreichtümern noch nicht positiv entschieden habe.

Die zuständigen Behörden spielten die Bedeutung des Gerichtsurteils freilich herunter. Es betreffe nur ein Prozent des zu enteignenden Landes.

Auch in der Türkei ist nach der Ankündigung des Baubeginns mit heftigen Protesten zu rechnen. Viele prominente Künstler, darunter der Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk, unterstützen die Kampagne gegen den Damm. Pamuk hat sich sogar ein Anti-Ilisu-T-Shirt zugelegt.

Vor allem die Überflutung des historischen Städtchens Hasankeyf stieß auf Kritik im In- und Ausland. Auch Bedenken wegen der Umsiedlung wurden nie ausgeräumt. Ein erstes internationales Konsortium, dem die Schweizer Großbank UBS angehörte, zog sich vor einigen Jahren wegen der Kritik aus dem Projekt zurück.

Auch China ist abgesprungen

Ein zweites Konsortium mit Firmen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz trat an. Auch dieser Versuch scheiterte im Sommer 2009, weil die Türkei die Auflagen zu Kulturschutz, Umwelt und Umsiedlung einfach ignorierte. Alle drei Länder zogen ihre Exportrisikogarantien zurück.

Nun wollen die türkischen Institute Akbank und Garanti Bank mit 350Mio. Euro in die Presche springen. Auch der Rest der Finanzierung für das mit 1,1 bis 1,5Mrd. Euro veranschlagte Projekt scheint gesichert zu sein. Es ist jedoch nicht bekannt, ob die beiden Banken den Vertrag wie angekündigt unterschrieben haben. Unklarheit herrscht auch über die Baufirmen. Der österreichische Anlagenbauer Andritz Hydro ist jedenfalls nicht mehr dabei, wie die Firma auf Anfrage der „Presse“ bestätigte.

Indessen hat ein potenzieller Verbündeter für den Bau abgewinkt. Nach Informationen der österreichischen Umweltorganisation ECAWatch erklärte der chinesische Botschafter in Ankara, dass auch Peking keine Exportrisikogarantien für Ilisu plane.

Viele Beobachter hatten mit asiatischer Unterstützung gerechnet. Der Satz: „Wenn die Europäer sich zurückziehen, dann machen es halt die Chinesen“, war häufig zu hören. Nun aber sind die Türken auf sich allein gestellt. Mehr denn je wird Ilisu so zum nationalen Prestigeprojekt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2010)

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