Eine weitere Anti-Assad-Hochburg nahe Damaskus dürfte geräumt werden. Möglicherweise war ein Angriff mit Chemiewaffen mitentscheidend.
Damaskus. Syriens Regierung hat sich nach eigenen Angaben mit der lokalen Rebellengruppe Jaish al-Islam auf eine Evakuierung der Rebellenhochburg Duma geeinigt. Sämtliche verbliebenen Rebellen sollten die dicht vor Damaskus gelegene Stadt binnen 48 Stunden verlassen, berichtete die Nachrichtenagentur Sana am Sonntag.
Die islamistischen Kämpfer sollen demnach in die Rebellenhochburg Jarabulus im Norden Syriens gebracht werden und dafür Geiseln freilassen. Laut Sana fuhren am Sonntagnachmittag Dutzende Busse in die Stadt, mit denen die Kämpfer fortgebracht werden sollten.
Duma ist das letzte Gebiet in der Region Ostghouta, das bisher noch in der Hand der Aufständischen ist. Die Regierungsarmee hat mit russischer Unterstützung vor mehreren Wochen mit einer Offensive zur Eroberung Ostghoutas begonnen. Am Freitag und Samstag haben syrische und russische Kampfflugzeuge die Stadt intensiv bombardiert, wobei bisher unbestätigten Berichten zufolge Chlorgas eingesetzt worden sein soll, um die gut eingegrabenen Feindkämpfer aus ihren Stellungen zu treiben. Die Folge waren indes auch von Hilfsorganisationen und anderen Beteiligten veröffentlichte Fotos und Videos, die nur schwer zu ertragen sind: etwa von Frauen, Männern und Kindern, die in einer Wohnung auf dem Teppich liegen, übereinander zusammengesunken, die Augen leer, teilweise Schaum vor dem Mund. Andere Bilder zeigen Kellerräume mit ähnlichen Szenen.
Papst äußert Betroffenheit
Nach Angaben der Weißhelme, einer syrischen Zivilschutzorganisation, sollen mehr als 150 Menschen getötet und mehr als 1000 verletzt worden sein, letztlich vor allem Zivilisten. Selbst Papst Franziskus zeigte sich im Vatikan erschüttert: „Es gibt schreckliche Berichte aus Syrien über Bombardierungen mit Dutzenden Opfern“, sagte er am Wochenende.
Die Syrisch-Amerikanische Medizinische Gesellschaft (Sams) berichtete am Sonntag, am Vorabend seien Hunderte Menschen in klinische Einrichtungen in Duma gebracht worden. Die Menschen zeigten Anzeichen, einem Nervengas ausgesetzt gewesen zu sein, sie hätten Atemnot und Herzprobleme gehabt. Mindestens ein Hubschrauber habe zuvor ein Fass mit Chemikalien abgeworfen.
Damaskus freikämpfen
Die syrische Armee hat in den vergangenen Wochen den Großteil des Rebellengebiets von Ostghouta, das ebenfalls an die Hauptstadt Damaskus grenzt, freigekämpft, und Damaskus dadurch „Luft verschafft“. Rebellen haben über Jahre von dort aus Damaskus beschossen, was entsprechend Gegenfeuer ausgelöst hat. In den vergangenen Wochen sind nach Angaben von Beobachtern mehr als 1600 Zivilisten in Ostghouta getötet worden.
Warnung von Donald Trump
Das russische Militär und die syrische Führung wiesen die Giftvorwürfe zurück. Es seien „fabrizierte Anschuldigungen“, sagte Generalmajor Juri Jewtuschenko der Agentur Interfax zufolge. Das russische Außenamt bezeichnete die Vorwürfe als Provokationen, die lediglich für Terroristen und die radikale Opposition von Vorteil seien.
Die US-Regierung prüfe Berichte über einen Giftgasangriff, teilte Außenamtssprecherin Heather Nauert mit. Sollten sich die Berichte bestätigen, sei eine sofortige Antwort der internationalen Gemeinschaft gefordert. US-Präsident Donald Trump twitterte, die Verantwortlichen müssten „einen hohen Preis“ dafür bezahlen.
Vor genau einem Jahr haben die USA auf einen Giftgaseinsatz reagiert und einen syrischen Militärflughafen bombardiert. Sowohl Trump als auch Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, haben den Einsatz von Giftgas in Syrien immer wieder als „rote Linie“ bezeichnet, deren Überschreitung Militärschläge auslösen würde.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2018)