Crash an der Börse in Moskau

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A board displaying currency exchange rates is reflected in a shop window in central Moscow(c) REUTERS (Sergei Karpukhin)
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Die Börse in Moskau stürzte am Montag so tief ab wie zuletzt nach der Annexion der Krim vor vier Jahren. Investoren verkaufen alles quer durch die Bank. Ein Unternehmen wurde gar zum richtigen Gitftpapier. Die Ursache liegt in den USA.

Seit langem galten sie als Hauptbedrohung für den russischen Aktienmarkt und seine Unternehmen. Die Wucht aber, mit der die neuen US-Sanktionen am Montag zuschlugen, hat das Land seit Jahren nicht mehr gesehen. Der in Dollar denominierte, russische Leitindex RTS stürzte im Tagesverlauf um mehr als elf Prozent ab, sein in Rubel denominiertes Pendant Micex um neun Prozent. Investoren warfen in einer ersten Panik schier alles auf den Markt. Auch der Rubel verlor deutlich an Wert, obwohl der Ölpreis anstieg.

Am meisten freilich traf es den weltweit zweitgrößten Aluminiumhersteller Rusal, dessen Aktie gleich zu Handelsbeginn um 47 Prozent in den Keller rasselte und dann vom Handel ausgesetzt wurde. Das Unternehmen, das mehrheitlich im Besitz des Tycoons Oleg Deripaska steht, war am Freitag von den USA ebenso mit Sanktionen belegt worden wie Deripaska selbst. Später warnte Rusal die Anleger in einer Pflichtmitteilung, dass sich das nicht nur negativ auf das Geschäft auswirken, sondern auch dazu führen könnte, dass die Firmengruppe bestimmten Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Auch der Jahresbericht für 2017 könnte sich verzögern. Parallel dazu stürzte die Aktie von Deripaskas Energieunternehmen En+ um knapp 20 Prozent ab. In London, wo sie erst im Vorjahr gelistet worden war, wurde sie bereits am Freitag Abend vom Handel ausgesetzt. Weil Rusal auch am weltweit führenden Palladium- und Nickelproduzenten Norilsk Nickel beteiligt ist, wurde die Aktie mit nach unten gerissen. Da half auch nichts, dass die russische Regierung den von den Sanktionen betroffenen Unternehmen schnelle Hilfe zugesagt hatte.

Schwarze Liste

Die USA hatten am Freitag 24 Russen und 15 mit ihnen verbundene Unternehmen, denen enge Verbindungen zum Kreml nachgesagt werden, auf eine schwarze Liste gesetzt. Ihnen werden internationale Zahlungsflüsse in Dollar untersagt, zudem werden ihre Vermögenswerte in den USA eingefroren. US-Bürgern ist es künftig untersagt, mit ihnen in eine Geschäftsbeziehung zu treten. Washington begründete die Maßnahmen ziemlich diffus mit dem "wachsenden Muster bösartiger Aktivitäten Russlands in der Welt". Besonders auffällig ist, dass zum ersten Mal auch Tycoons (im herkömmlichen Sinn als Oligarchen bezeichnet) bestraft, die nicht durch eine besondere Nähe zum Kreml aufgefallen sind. So findet sich Viktor Wekselberg auf der Liste. Wekselberg, früher stark im Ölgeschäft investiert, hat im Laufe der Zeit zunehmend ein Auge auf Technologiekonzerne geworfen. Heute gehört ihm über seine Renova-Gruppe der Schweizer Technologiekonzern Oerlikon und das Industrieunternehmen Sulzer. Beide Aktien sackten gestern zwischenzeitlich um bis zu zehn Prozent ab. Und Federn lassen musste auch der österreichische Baukonzern Strabag, an dem Deripaska einen Viertelanteil hält.

„Die Sanktionen sind ein Riesenschlag gegen Deripaska und Wekselberg, die sich durch eine starke internationale Präsenz auszeichnen“, meint Anders Oslund von der US-Denkfabrik Atlantic Council. Deripaska wird bekanntlich von den USA verdächtigt, über seine Kontakte zu Donald Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort eine Einmischung Russlands in den US-Wahlkampf durchgeführt zu haben, Aktuell könnte in seinem Fall hinzukommen, dass die USA soeben einen protektionistischen Kurs hinsichtlich Stahl und Aluminium fahren, wird ein ehemaliger russischer Regierungsbeamter in der „Financial Times“ zitiert.

Branchenriese Lukoil ebenfalls deutlich im Minus

Wegen der Neuartigkeit der Sanktionen grassiert in Moskau völlige Unsicherheit. „Viele denken, dass nach Rusal Sanktionen auch gegen andere russische Unternehmen folgen, und sie befürchten harte Gegenmaßnahmen seitens der russischen Machthaber“, wird Kirill Tremasov, Chefanalyst der Investmentgesellschaft „Lokinvest“, von der Zeitung „Wedomosti“ zitiert.

So sackten gestern auch Titel ab, die keinen bzw. keinen neuen Sanktionen unterworfen worden sind. In die Knie ging etwa der zweitgrößte und private Ölkonzern Lukoil. Der staatliche Branchenprimus Rosneft verlor über elf Prozent, die größte und staatliche Bank Sberbank über 13 Prozent. Da nahmen sich die minus 11,45 Prozent der zweitgrößten Bank VTB fast bescheiden aus – schließlich landete ihr Chef Andrej Kostin auf der Sanktionsliste. Und weil auch Gazprom-Chef Alexej Miller mit Sanktionen belegt wurde, brach das Papier im Tagesverlauf um zehn Prozent ein.

Miller kommentierte die Sanktionen gegen ihn süffisant, sieht er sie doch als Bestätigung für die Richtigkeit seines Handelns: „Als ich nicht auf die erste Sanktionsliste aufgenommen worden war, hatte ich sogar einigen Zweifel, dass hier vielleicht etwas nicht stimme. Aber nein, nun bin ich endlich drauf. Das heißt, wir machen alle richtig“, sagte er im russischen Staatsfernsehen NTV.

Zurückhaltender war VTB-Chef Kostin: „Ich wurde bestraft, weil die US-Administration Russlands Regierungspolitik als unrichtig auffasst“, sagte er gegenüber CNN: „Das ist sehr traurig und zeigt, wie wenig die US-Administration die Absichten der russischen Regierung versteht“.

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