„Gold Plating“ bei Auftragsvergaben?

Müssen künftig bei öffentlichen Aufträgen alle Leistungen zusammengerechnet werden?
Müssen künftig bei öffentlichen Aufträgen alle Leistungen zusammengerechnet werden?(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Entwurf für das neue Vergabegesetz verschärft die Regeln, wann Leistungen zu addieren sind. Klein- und Mittelbetrieben macht das Sorgen, Juristen halten es für überschießend.

Wien. Müssen künftig bei öffentlichen Aufträgen alle Leistungen zusammengerechnet werden – also etwa bei Bauaufträgen sämtliche Dienstleistungen von der Planung über die Projektsteuerung und Bauaufsicht bis zur Vermessung und rechtlichen Beratung? Und womöglich dann auch noch die Summe dieser Dienstleistungen mit der Bauausführung selbst? Die Folge wäre, dass selbst für eher kleine Vorhaben komplexe, zum Teil EU-weite Vergabeverfahren durchgeführt werden müssten. Sorgen macht das nicht nur der mittelständischen Wirtschaft, sondern auch öffentlichen Auftraggebern, vor allem kleineren Gemeinden. „Das würde viel Aufwand, Kosten und Verzögerungen bedeuten“, sagt Walter Leiss, Generalsekretär des Gemeindebundes.

Grund für die Irritationen sind neue Zusammenrechnungsregeln, die im Entwurf für das Bundesvergabegesetz 2018 enthalten sind. Dieser wurde im März im Ministerrat beschlossen und soll kommenden Mittwoch im Verfassungsausschuss behandelt werden. Es ist der nächste Anlauf für die längst überfällige Vergaberechtsreform: Ein noch von der Vorgängerregierung ausgearbeitetes Gesetzespaket ist vor den Neuwahlen nicht mehr zur Beschlussfassung gelangt.

In dem Entwurf heißt es nun, dass zur Berechnung des Auftragswerts alle zum Vorhaben gehörigen Leistungen zusammenzurechnen sind. Und weiter: „Besteht eine Dienstleistung aus mehreren Losen, für die jeweils ein gesonderter Auftrag vergeben wird, so ist als geschätzter Auftragswert der geschätzte Gesamtwert aller dieser Lose anzusetzen.“ Derzeit gilt, dass nur gleichartige Leistungen zusammengerechnet werden müssen.

EuGH-Urteil gegen Deutschland

Die Neuregelung wäre somit eine erhebliche Verschärfung. Enthalten war sie schon im Entwurf der SPÖ-ÖVP-Regierung. Der Grund ist eine Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2012 („Autalhalle“, C-574/10). In Deutschland waren Aufträge für die Planung und Sanierung einer Mehrzweckhalle im Gesamtwert von rund 300.000 Euro auf drei Jahre verteilt und scheibchenweise an dasselbe Architekturbüro vergeben worden. Die EU-Kommission leitete ein Vertragsverletzungsverfahren ein, der EuGH entschied, dass die Auftragswerte tatsächlich hätten addiert werden müssen.

Aber bedeutet das wirklich, dass auch verschiedenartige Leistungen zusammenzurechnen sind? Die Ziviltechnikerkammer – die die Verschärfung vehement ablehnt – holte dazu ein Gutachten der auf Vergaberecht spezialisierten Anwaltskanzlei Schramm Öhler ein. Dieses liegt der „Presse“ vor. „Eine generelle Pflicht, unterschiedliche Dienstleistungen zusammenzurechnen, nur weil sie demselben (Beschaffungs- bzw. Investitions-)Vorhaben dienen, kann dieser Entscheidung nicht entnommen werden“, heißt es da. Das Fazit des Gutachters Gregor Stickler: Bei den Plänen handle es sich um „Gold Plating“, also eine Übererfüllung von EU-Vorgaben. Die zur Folge hätte, „dass Leistungen, für die bisher vereinfachte Vergabeverfahren zur Verfügung standen, künftig in formellen und aufwendigen Verfahren vergeben werden müssen“. Gewarnt wird zudem vor „erheblichen Rechtsunsicherheiten“ (etwa weil unklar sein könnte, ob nur Dienstleistungen einzurechnen sind oder alles inklusive Bauausführung).

Gesetz gegen „Gold Plating“

Brisant ist das auch insofern, als die Regierung dem „Gold Plating“ hochoffiziell den Kampf angesagt hat. Das steht im Regierungsprogramm, und Justizminister Josef Moser kündigte sogar eine eigene Gesetzesvorlage dazu an. Die Regierung avisierte auch ganz konkret die Streichung der verschärften Zusammenrechnungsregelung. Die Ziviltechniker fordern nun, dass das umgesetzt wird. „Die Erbringung von unterschiedlichen Dienstleistungen ist von einem verbotenen Auftragssplitting zu unterscheiden“, sagt Karin Rathkolb, Vergaberechtsspezialistin in der Kammer. Leiss betont ebenfalls, dass keine Rede davon sei, Aufträge filetieren zu wollen. Was man aber nicht wolle, seien aufwendige, komplexe und teure Verfahren, die EU-rechtlich nicht nötig wären. Wobei dann am Ende doch meist ein lokaler Auftragnehmer zum Zug komme: „Nur zwei Prozent der Aufträge im Oberschwellenbereich gehen tatsächlich ins Ausland.“ Internationalen Anbietern seien die heimischen Aufträge nämlich ohnehin sehr oft zu klein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2018)

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