Moskauer Börsencrash trifft Wien

Die Aktie der Raiffeisen Bank International (RBI) sackte um zwölf Prozent ab.
Die Aktie der Raiffeisen Bank International (RBI) sackte um zwölf Prozent ab.(c) REUTERS (KACPER PEMPEL)
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Die Börse in Moskau stürzte am Montag massiv ab und riss auch österreichische Konzerne mit. Allein die OMV und Raiffeisen International verloren etwa zwei Milliarden Euro an Börsenwert.

Wien/Moskau. Seit Langem galten sie als Hauptbedrohung für den russischen Aktienmarkt und seine Konzerne. Mit der Wucht jedoch, mit der die neuen US-Sanktionen gegen Russland am Montag einschlugen, hatte dann doch kaum jemand gerechnet. Der in Dollar denominierte Leitindex RTS stürzte im Tagesverlauf um mehr als zwölf Prozent ab, sein Pendant, der Rubelindex Micex, um neun Prozent. So etwas hatte der Handelsplatz seit der Annexion der Krim im Frühjahr 2014 nicht mehr gesehen. Investoren warfen schier alles auf den Markt. Auch der Rubel verlor deutlich an Wert, obwohl der Ölpreis anstieg.

Am Ende erfassten die Schockwellen dann auch Wien. Ebendort kam es bei jenen Firmen, deren Geschäft stark mit Russland zusammenhängt, zu einem wahren Kursgemetzel. Allen voran bei der Raiffeisen Bank International (RBI), deren Aktie gleich um zwölf Prozent absackte. Der Öl- und Gaskonzern OMV, der eng an Gazprom gebunden ist, gab um etwa vier Prozent nach. Die Aktie des Baukonzerns Strabag, der zwar nur einen marginalen Teil seines Umsatzes in Russland erwirtschaftet, aber zu einem Viertel dem russischen Tycoon Oleg Deripaska gehört, verlor mehr als dreieinhalb Prozent. Der Wiener Aktienindex schloss als nahezu einziger westlicher Index tief im Minus.

Milliarden Kapital vernichtet

Obwohl hier allein bei der OMV und bei Raiffeisen International etwa zwei Milliarden Euro an Wert binnen weniger Stunden vernichtet wurden, ist es doch nichts im Vergleich zu dem, was in Russland verloren ging. Dort haben diverse Konzernchefs allein so viel Federn gelassen.

Allen voran der oben erwähnte Deripaska. Sein Aluminiumkonzern Rusal – der zweitgrößte weltweit – wurde an der Börse zum wahren Giftpapier, das gleich zu Handelsbeginn um 47 Prozent absackte und dann vom Handel ausgesetzt wurde. Der Konzern ist am Freitag von den USA ebenso mit Sanktionen belegt worden wie Deripaska selbst, dem über Donald Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort eine Einmischung in den US-Wahlkampf vorgeworfen wird. Später warnte Rusal seine Anleger, die Sanktionen könnten dazu führen, dass die Firmengruppe bestimmten Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen könne. Parallel dazu stürzte die Aktie von Deripaskas Energiekonzern En+ um knapp 20 Prozent ab. Und weil Rusal auch am weltweit führenden Nickelproduzenten Norilsk Nickel beteiligt ist, wurde diese Aktie ebenfalls mit nach unten gerissen.

Die USA haben am Freitag 24 Russen und 15 mit ihnen verbundene Firmen auf eine schwarze Liste gesetzt. Ihnen werden internationale Zahlungsflüsse in Dollar untersagt, zudem werden ihre Vermögenswerte in den USA eingefroren. US-Bürgern ist es künftig untersagt, mit ihnen in eine Geschäftsbeziehung zu treten. Washington begründete die Maßnahmen ziemlich diffus mit dem „wachsenden Muster bösartiger Aktivitäten Russlands in der Welt“.

Niemand ist mehr sicher

Auffällig ist, dass zum ersten Mal auch Tycoons bestraft werden, die nicht durch eine besondere Nähe zum Kreml aufgefallen sind. So Viktor Wekselberg, dem die Schweizer Konzerne Sulzer und Oerlikon gehören. Ihre Aktien sackten gestern zwischenzeitlich um zehn bzw. mehr als zwölf Prozent ab.

In Moskau selbst aber wurden nicht nur Unternehmen nach unten gerissen, deren Chefs (etwa jener von der zweitgrößten Bank VTB oder jener von Gazprom) auf der neuen Sanktionsliste stehen, sondern auch jene, denen dies im aktuellen Fall erspart blieb. „Viele denken, dass nach Rusal Sanktionen auch gegen andere russische Unternehmen folgen, und sie befürchten harte Gegenmaßnahmen seitens der russischen Machthaber“, wird Kirill Tremasov, Chefanalyst der Investmentgesellschaft Lokinvest, von der Zeitung „Wedomosti“ zitiert.

Als erste Reaktion hat Russlands Regierung angekündigt, die betroffenen Firmen zu unterstützen. Das hat sie auch bei früheren Sanktionen getan und damit den Unmut anderer einheimischer Firmen erregt. Dass es deshalb schon bald zu einer Spaltung innerhalb der Elite kommt, wie dies vom Westen intendiert ist, ist nicht zu erwarten. Vorerst führen die unkalkulierbaren US-Schläge sogar dazu, dass Russen ihr Geld aus dem Westen nach Hause schaffen – ganz wie Putin das von ihnen gewünscht hat.

Und vorerst dominiert der Zynismus wie etwa bei Gazprom-Chef Alexej Miller: „Als ich nicht auf die erste Sanktionsliste aufgenommen worden war, hatte ich sogar einigen Zweifel, dass hier vielleicht etwas nicht stimmt“, sagte er im Staatsfernsehen NTV: „Aber nein, nun bin ich endlich drauf. Das heißt, wir machen alles richtig.“

Zurückhaltender war da schon VTB-Chef Andrej Kostin: „Ich wurde bestraft, weil die US-Administration Russlands Regierungspolitik als unrichtig auffasst“, sagte er CNN: „Das ist sehr traurig und zeigt, wie wenig die US-Administration die Absichten der russischen Regierung versteht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2018)

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