Gastkommentar

Keine Lügenspiele mehr mit C-Waffen!

Die britischen Behörden versuchen, mit dem Vorfall im Syrien-Krieg von der Affäre Skripal abzulenken.

London hat sich mit dem sogenannten Skripal Case selbst in die eigene Falle getrieben. Dass die internationale Gemeinschaft den gegen Russland erhobenen empörenden Anschuldigungen aufs Wort glauben wird, war eine gewaltige und vor allem hochmütige Fehleinschätzung der britischen Diplomatie. Und ich meine nicht die Regierungen mehrerer Staaten, die sich einer Blocksolidarität bereitwillig oder erzwungen unterworfen haben, sondern viele Menschen in Europa, die sich nicht manipulieren lassen und die nicht bereit sind, Urteile ohne jegliche Beweise zu fällen. Aber es gibt auch verschiedene Regierungen. Mehr als die Hälfte der Mitgliedsländer des OPWC-Exekutivrats hat sich bei der von Russland einberufenen Sondersitzung zum Fall Skripal nicht mit der Position Großbritanniens und der USA assoziiert.

Mit berechtigten Gegenfragen hat London unlogischerweise nicht gerechnet, und britische Behörden sind offensichtlich nicht in der Lage, die schwerwiegenden Aussagen der eigenen Staatsführung mit irgendwelchen Fakten zu belegen. Stattdessen versammeln die Botschaften Großbritanniens rund um die Welt geschlossene Gesellschaften, um – entsprechend Anweisungen – mit comicartigen Powerpoint-Präsentationen Überzeugungsarbeit zu leisten, und britische Medien bringen beinahe im täglichen Modus neue und oft widersprüchliche Gerüchte zum Fall der Skripals, die sie von anonymen geheimdienstlichen Quellen erhalten. Aber das hilft auch nicht – die Öffentlichkeit fordert Beweise. Wir fordern Beweise und klare Antworten auf die an London berechtigt gestellten Fragen!

Nach den Offenbarungen des Chemiewaffenlabors Porton Down, dass eine „russische Herkunft“ des Gifts, das bei einem Anschlag auf die Skripals angeblich verwendet wurde, nicht bestätigt werden kann, ist die britische Diplomatie in einer blamierenden Sackgasse. Noch am 20. März behauptete der Außenminister Großbritanniens, Boris Johnson, im Interview mit der „Deutschen Welle“, er habe entsprechende „absolut kategorische“ Versicherungen vom Labor. Jetzt löscht das Foreign Office bereits Tweets mit demselben Statement. Das alles wird von der wie ein Mantra wiederholten Lüge begleitet, Russland weigere sich, bei den Ermittlungen zu kooperieren, obwohl unser Land noch am 12. März London vorgeschlagen hat, russische Experten entsprechend bestehenden Regelungen einzuschalten.

Britische Antworten fehlen

Um aus dieser äußerst unangenehmen selbst geschaffenen Situation rund um den Fall der Skripals rauszukommen, wechseln die britischen Behörden nun ihre Kommunikationstaktik. Jetzt versuchen sie, das Publikum vom aktuellen Thema abzulenken, und bemühen sich, die öffentliche Aufmerksamkeit wieder auf den ungeklärten Vorfall im syrischen Chan Schaichun zu konzentrieren. Das tut auch der britische Minister für den Nahen Osten im Foreign Office, Alistair Burt, in seinem Gastkommentar vom 6. April. Das haben auch die britische und die US-Delegation getan, als sie sich gegen den russischen Vorschlag bei der Sondersitzung der OPWC ausgesprochen haben, in einer Schweigeminute aller Opfer von Chemiewaffen in Syrien, Vietnam, Kambodscha, dem Iran und dem Irak zu gedenken. Der ursprüngliche Vorschlag betraf nur Chan Schaichun.

Russland hat mehrmals und klar seine Position zu Chan Schaichun dargestellt. Jeder, der an den von uns gesammelten Fakten interessiert ist, kann diese leicht in offenen Quellen nachschlagen. Was aber einer nicht finden wird, sind die Antworten der britischen Seite auf die Fragen, die Russland im Zusammenhang mit dem Fall der Skripals offiziell gestellt hat. Und die große Frage ist: Was wird jetzt folgen?

Dmitrij Ljubinskij ist Botschafter der Russischen Föderation in Österreich.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2018)

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