TV-Notiz Christian Rainer, Thomas Stipsits und andere diskutierten im "Kulturmontag" launig die Frage, wie der "Mann von heute" sich zurechtfindet - nach der Schockstarre.
"Der bedrohte Mann" ist in aller Munde. Gerade erst widmete ihm die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit" eine Titelgeschichte ("Schäm dich, Mann!") und einen langen, alarmistischen Artikel, den Autor Jens Jessen verfasst hatte. Wofür er nicht nur von Frauen und Feministinnen ordentlich Kritik einstecken musste. Das österreichische "Profil" fragte schon eine Woche früher, deutlich weniger wehleidig "Was bleibt vom Mann?" Und nun widmete also der ORF-"Kulturmontag" dem "bedrohten Mann" einen zehn Minuten langen Beitrag und befragte dafür Männer aus dem österreichischen Kulturbetrieb, holte sich Rat bei Psychotherapeuten und Autoren.
Bei der Anmoderation konstatierte Martin Traxl, dass "die rustikale Macho-Gemeinde" zunehmend ins Wanken gerate. Der "Mann von heute" könne sich zwischen berechtigter Kritik und überzogenen Moralvorstellungen im Zuge der MeToo-Debatte "kaum mehr zurecht finden". Lange hätten sich dazu nur Frauen zu Wort gemeldet, doch "die Schockstarre der Männer scheint sich langsam zu lösen". Somit sollten hier einmal Männer über Männer sprechen, sicherheitshalber wurde gleich dazu gesagt, das sei „ganz subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit". Na, dann.
So kam zuerst einmal Kabarettist und Schauspieler Thomas Stipsits zu Wort, der zugab, sich beim Anblick von Clint Eastwood im Western zunächst "auch kurz wahnsinnig stark zu fühlen". Was die Frage aufwarf: Wieso ausgerechnet beim alternden, waffen-verliebten Eastwood? Aber gut. Stipsits betonte noch im selben Atemzug, so wortkarg und heldenhaft sei der Mann heute aber gar nicht mehr, "so funktioniert die Wirklichkeit nicht."
Der starke Mann verschwinden? Niemals!
Der britische Autor Jack Urwin ("Boys don't cry") erklärte im Skype-Interview: "Wir Männer sind wahnsinnig vor den Kopf gestoßen"; bisher mussten sie sich nie unterwerfen oder in andere Rollen schlüpfen, anders als die Frauen, die "gut darin waren". Diese starken Männer hätten nun Angst, zu verschwinden, so Urwin, der aber gleich Entwarnung gab: "Das wird niemals passieren." Niemand wolle irgendjemandem etwas wegnehmen. Es seien nur die Grenzen zwischen den Geschlechtern fließender geworden, da sei genug Platz für maskulinere Männer oder sensiblere.
In sanft ironischem Unterton stellte der Erzähler eine wichtige Frage: "Es ist wie das Ei des Kolumbus, ein endloses Labyrinth (...) Wie soll es nur gehen, dass Frauen Gleichberechtigung erlangen, ohne neue Ungleichheit zu schaffen?" Doch im Beitrag kam direkt danach "Profil"-Herausgeber Christian Rainer ins Bild und stellte, anstatt das gerade Gehörte zu beantworten, lieber eine Reihe weiterer, verwirrender Fragen: "Wo ist die Grenze? Habe ich die Grenze überschritten? Wer hat sie überschritten? Ist das Ganze (er meinte wohl die MeToo-Debatte) eigentlich zu laut?" Aber Rainer blieb zuversichtlich, er denke, dass "das Phänomen" (vermutlich erneut ein anderes Wort für dieses MeToo) wieder verschwinden werde, und dass die Gesellschaft und der einzelne sehr bald genau wissen werde, wo diese neuen Grenzen verlaufen. Somit schloss der Beitrag allzu schnell und allzu positiv. Psychotherapeut Ralph Bonelli sah bei den Millennials gar einen echten Wandel, einen "Rückfall in die Keuschheit, die denken anders, die sind anders gestrickt."
Was dann der 1984 geborene Stipsits mit seinen ein wenig einstudiert wirkenden Sätzen über Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau bestätigen durfte ("Wieso ist es toll, wenn der Mann im Haushalt mittut, er wohnt ja auch dort?"). Und der Therapeut brachte schließlich doch noch die Biologie ins Spiel, die ihren Teil zur Geschlechterrolle beitrage. "Ein Mann ist biologisch ein Mann, allein deswegen ist er nicht Täter oder Übeltäter." Doch die Frauen seien eben zu lange Opfer dieser Männer gewesen, weswegen sich da so viel "berechtigte Wut und Hass aufgestaut" habe, erinnerte Autor Urwin. Was wieder Verwirrung auslöste: Ist der Mann also doch Täter, die Frau Opfer? Christian Rainer zog den Schluss, er habe "nicht den Eindruck, dass es zu Machtverlust und Impotenz kommen" werde. Im Gegenteil, er denke, dass der Mann am Ende der Debatte, die ja, wie wir bereits gehört hatten, bald vorbei sein werde, "einen festeren Boden unter den Füßen haben wird als vorher. Denn offenbar stand er zuletzt auf dünnem Eis. Es war Zeit, diese Debatte zu führen."
Insgesamt hinterließ der Beitrag einen also verwirrt und mit noch mehr Fragen, auch wenn er immerhin ohne Peinlichkeiten auskam und sich auch nicht so weinerlich gab wie Jens Jessens Text in der „Zeit“. Seltsam nur, dass alle befragten Männer unisono befanden, man habe schon genug geredet, die Jungen seien ohnehin schon weiter, bald sei die Debatte überstanden. Motto: Guat is g'angen, nix is' g'schehen. Wir kontern mit einem Zitat von Stipsits vom Beginn: „So funktioniert die Wirklichkeit nicht." Oder anders: Wovon reden die?
Im "Kulturmontag" folgte dann übrigens ein Beitrag über einen Männertyp, der zuvor als so gut wie ausgestorben bezeichnet wurde: Jean-Paul Belmondo. Titel: "Der Unwiderstehliche".