Die Europäische Volkspartei hat bisher keinen Weg gefunden, mit Ungarns Fidesz umzugehen, auch nach der Wahl vom Sonntag schwankt sie nun zwischen Umarmung und Distanzierung.
Nach einer Wahl ist nicht die Zahl an Gratulationen für den Sieger von Bedeutung, sondern die Nuancen in den einzelnen Statements. Sie sagen oft mehr über wahre Freude oder Sorge aus als die gewahrte Form. Nach dem klaren Erfolg von Viktor Orbáns Partei Fidesz bei den Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag ließ beispielsweise die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verkünden, dass sie eine „schriftliche Gratulation“ versenden werde. Gleichzeitig wies ihr Sprecher Steffen Seibert darauf hin, dass es schon in der Vergangenheit Kontroversen mit Orbán gegeben habe. Ganz anders reagierte Innenminister Horst Seehofer (CSU). Er machte aus seiner Begeisterung kein Hehl und kündigte eine noch engere Partnerschaft mit Fidesz an. Auf die Kritik an der mangelnden Solidarität der ungarischen Regierung in der Migrationskrise und an ihrem Anti-EU-Kurs ging Seehofer nicht ein. Die „Politik des Hochmuts und der Bevormundung gegenüber einzelnen Mitgliedstaaten“ habe er immer für falsch gehalten, so der CSU-Politiker. Merkel war zuletzt immer deutlicher auf Distanz zu Orbán gegangen, Seehofer sympathisierte hingegen mit dessen restriktiver Einwanderungspolitik.
Der klare Sieg von Orbáns Fidesz macht nicht nur Risse zwischen West- und Osteuropa, sondern auch innerhalb der christdemokratischen Parteienfamilie deutlich. Die ÖVP ist dabei keine Ausnahme: Während Bundeskanzler Sebastian Kurz seinem Amtskollegen ohne Zwischentöne zum Erfolg gratulierte und darauf hinwies, dass er sich „auf eine weitere Zusammenarbeit“ freue, ging Othmar Karas, Leiter der ÖVP-Delegation im Europaparlament, deutlich auf Distanz. Er wolle das demokratische Ergebnis zwar akzeptieren, so Karas. Aber der Weg dorthin müsste hinterfragt werden, sagte er gegenüber der „Presse“.