Analyse

Riskantes Spiel in Syrien

Bereit zum Losschlagen. US-Präsident Donald Trump verschärfte am Dienstag seine Drohungen gegen das syrische Regime.
Bereit zum Losschlagen. US-Präsident Donald Trump verschärfte am Dienstag seine Drohungen gegen das syrische Regime.REUTERS
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Analyse. Vor Ablauf der Entscheidungsfrist von US-Präsident Trump über einen Militärschlag sichern London und Paris den USA Unterstützung zu, wollen sich aber zuvor noch beraten.

Es wirkte wie ein bedrohliches Vorzeichen: Donald Trump hätte ab Freitag beim Amerika-Gipfel in Peru mit Spitzenpolitikern des gesamten Kontinents zusammenkommen sollen. Doch der US-Präsident sagte am Dienstag seine Reise kurzfristig ab. Grund dafür: die immer gefährlicher werdende Lage in Syrien. Trump hat zuletzt die Drohungen gegen das Regime des syrischen Machthabers Bashar al-Assad deutlich verschärft: Noch in der Nacht auf Dienstag oder „kurz danach“ werde eine Entscheidung fallen, wie die USA auf den jüngsten Giftgasangriff in Syrien antworten.

Am Dienstag telefonierte Trump mit Frankreichs Präsidenten, Emmanuel Macron. Dieser erklärte gestern Abend, Paris tausche sich mit den USA und mit Großbritannien aus: „Wir werden unsere Entscheidung in den kommenden Tagen mitteilen.“ Ein Angriff werde sich aber nicht an Unterstützer des syrischen Regimes oder jemanden Besonderen richten, sondern gegen chemische Einrichtungen des syrischen Regimes. Die britische Regierung signalisierte ihre Einsatzbereitschaft. Der Zwischenfall sei „absolut verwerflich“, sagte May nach Angaben der Regierung in London am Dienstag in einem Telefonat mit Trump.

Die USA und andere westliche Staaten werfen Assad vor, am Wochenende erneut Giftgas eingesetzt zu haben. Bei der Attacke in Duma bei Damaskus sollen laut Hilfsorganisationen Dutzende Menschen gestorben sein. Die Opposition vermutet, dass das syrische Militär Chlorgas abgeworfen hat (siehe Artikel unten).

Experten nach Duma entsandt

Mit ihren Drohungen gegen Syriens Regime gehen die USA auch noch stärker als bisher auf Konfrontationskurs mit Russland. Moskau hält nach wie vor zu seinem Verbündeten Assad. Es hat sich der Darstellung der Regierung in Damaskus angeschlossen, dass es keinen Giftgasangriff durch syrische Streitkräfte gegeben habe. Das Ganze sei eine „Erfindung“ westlicher Staaten.

Im UN-Sicherheitsrat lieferten die Botschafter Russlands und der USA einander heftige Wortgefechte. Nun schlug Moskau vor, die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) solle den möglichen Giftgasangriff aufklären. Die OPCW kündigte am Dienstag an, in Kürze Inspektoren nach Duma zu schicken. Die USA verlangten mehr: die Schaffung einer eigenen UN-Untersuchungskommission.

Russland stellte indes klar: Ein US-Militärschlag in Syrien wäre „sehr, sehr gefährlich“ und hätte „schwerwiegende Folgen“. In Syrien stehen sich die USA und Russland militärisch direkt gegenüber. Sowohl Moskau als auch Washington haben dort Tausende Soldaten stationiert. US-Eliteeinheiten sind im Norden des Landes im Einsatz, wo sie kurdische Kämpfer gegen den Islamischen Staat (IS) unterstützen. Russische Truppen zogen an mehreren Orten gemeinsam mit den Streitkräften des Regimes in die Schlacht: gegen den IS, aber vor allem auch gegen alle anderen bewaffneten Oppositionsgruppen. Russland sichert auch Militärbasen, die es mit den Syrern nutzt, und hat dafür auch Luftabwehreinheiten stationiert.

Wie verhält sich Russlands Luftabwehr?

Als vor fast genau einem Jahr die USA auf Trumps Befehl einen syrischen Militärflugplatz mit Marschflugkörpern bombardierten, hielt sich die russische Luftabwehr noch zurück. Auch am Dienstag versuchte der russische Vizeaußenminister, Michail Bogdanow, zu kalmieren: Er sehe keine Gefahr einer militärischen Konfrontation Russlands und der USA.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2018)


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