Der österreichische Ex-Kanzler zieht in den Aufsichtsrat des größten Telekommunikationskonzerns MTS ein. Schüssels Funktion ist speziell, das Engagement pikant.
Österreichische Ex-Politiker sind in Russland derzeit offenbar besonders gefragt. Nachdem vor Kurzem bekannt wurde, dass Ex-Finanzminister Hans-Jörg Schelling als Berater für die geplante Ostseepipeline Nord Stream 2 engagiert worden ist, wurde nun auch Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel in Russland angeheuert. Konkret soll er in den Aufsichtsrat der landesweit größten Telekommunikationsfirma MTS einziehen, wie der Aufsichtsrat am Mittwoch beschlossen hat. MTS ist ein Privatkonzern und gehört zu 51,11 Prozent dem Mischkonzern AFK Sistema rund um den russischen Milliardär Wladimir Jewtuschenkow. Der Rest befindet sich im Streubesitz.2016 hat MTS 435,7 Milliarden Rubel (5,7 Mrd. Euro) umgesetzt. Chef des Aufsichtsrats ist übrigens Ron Sommer, Ex-Chef der Deutschen Telekom.
Ausländer als Aufsichtsräte und Manager sind in Russland keine Seltenheit. Noch offenere als die Staatskonzerne sind die Privatunternehmen. Sie suchen und schätzen internationale Erfahrung. "Die Presse" bietet einen Überblick. von Eduard Steiner REUTERS Neben Gerhard Schröder ist der begehrteste Ausländer Matthias Warnig. Der Ex-Stasimitarbeiter, der mit Putin seit dessen Petersburger Zeiten eng verbunden ist, zumal er die medizinische Behandlung von Putins Frau in Deutschland nach einem Unfall organisiert hatte, ist nicht nur Geschäftsführer der Ostsee-Pipelinegesellschaft Nord Stream AG, wo Schröder dem Aktionärsausschuss vorsitzt. Gerade Staatskonzerne greifen gern auf Warnig zurück. (c) Imago stock&people (imago stock&people) Neben Warnig gehören dem Aufsichtsrat von Rosneft übrigens auch BP-Chef Robert Dudley (im Bild), der Ex-Chef von BP Brazilia, Guillermo Quintero oder der Ex-CFO von Exxon, Donald Humphreys an REUTERS Matthias Warnig indes sitzt noch in anderen Staatskonzernen ganz vorne. So seit 2011 als einziger Ausländer im Aufsichtsrat des Ölpipelinemonopolisten Transneft. Bis 2015 war Warnig dort sogar Direktoriumsratschef. Damit nicht genug ist er – gemeinsam mit Schachmar Movsumov, dem Chef des aserbaidschanischen staatlichen Ölfonds und Iv Tibo De Silgi, dem Ex-Chef des französischen Baukonzerns Vinci – im Aufsichtsrat von Russlands zweitgrößter und staatlicher Bank VTB. Aus dem Direktoriumsrat der Bank „Rossyia“, die vorwiegend in den Händen von Putins Datschennachbarn aus Petersburg liegt, ist Warnig 2015 ausgeschieden. (c) imago stock&people (imago stock&people) Aber dem Direktoriumsrat von Rusal, dem weltweit größten Aluminiumproduzenten, sitzt Warnig immer noch vor – eingesetzt von Wladimir Putin, um den Rusal-Chef und einst reichsten Russen Oleg Deripaska zu kontrollieren. Im dortigen Direktoriumsrat sitzen übrigens auch der Österreicher Siegfried Wolf, Ex-Manager des Autozulieferers Magna International. APA/HELMUT FOHRINGER Bei Gazprom fällt auf, dass der Konzern trotz seines massiven Auslandsgeschäftes mit Ausländern zurückhaltend ist. Nur einer – nämlich ein hochrangiger Vertreter aus Kasachstan – ist im Aufsichtsrat übriggeblieben. Zuvor hatte etwa Burckhard Bergmann, der Ex-Vorstandsvorsitzende der Eon Ruhrgas AG, die bis vor wenigen Jahren größter ausländischer Gazprom-Aktionär war, elf Jahre lang im Aufsichtsrat des halbstaatlichen russischen Gasriesen gesessen. Burkhard gehört heute dem Aufsichtsrat von Novatek, Gazproms inländischem Hauptkonkurrenten an. Und zwar gemeinsam mit zwei Top-Managern der Ölgesellschaft Total, die an Novatek beteiligt ist. (c) imago/photothek (Ute Grabowsky/photothek.net) Nicht nur bei den Energiegiganten sind Aufsichtsräte aus dem Westen vertreten. 2011 wurde Hartmut Mehdorn, Ex-Chef der Deutschen Bahn und von Air Berlin, als unabhängiger und derzeit einziger internationaler Vertreter in den Aufsichtsrat der staatlichen Russischen Eisenbahnen (RZhD) geholt. Premier Wladimir Putin selbst hat die Verfügung unterzeichnet. Mehdorn soll dem Auftrag nach Russlands weitaus größtes Unternehmen in Fragen internationaler Kooperationen beraten und dazu beitragen, ein gutes Image des Unternehmens bei den Partnern zu formen. EPA Bei Russlands größter und staatlicher Bank Sberbank, die wohl vom westlichsten Chef eines russischen Staatskonzerns, nämlich vom Ex-Wirtschaftsminister Herman Gref geleitet wird, kontrollieren neben zahlreichen Russen Martin Grant Gilman, einstiger Ökonom bei der OECD und beim Internationalen Währungsfonds und der ehemalige finnische Premier und Vizepräsident von Nokia, Esko Tapani Aho (im Bild), die Tätigkeit des Unternehmens. Mit dabei auch die Investitionsberaterin Nadia Wells. (c) YouTube Im Aufsichtsrat des zweitgrößten und wohlgemerkt privaten Ölkonzerns Lukoil sitzt Roger Munnings, früher Mitglied im International Council von KPMG und nun Chef der russische-britischen Handelskammer und zusätzlich unabhängiger Aufsichtsrat bei AFK Sistema. Auch bei Lukoil im Aufsichtsrat findet sich Toby T. Gati, Literaturwissenschaftlerin und Beraterin von Bill Clinton und heute Mitglied des amerikanisch-russischen Wirtschaftsrates. Ebenso Ivan Pictet (im Bild), ein Grandseigneur des Schweizer Private Banking und Richard Matzke, lange bei Chevron, dann bei PetroChina Company Limited und Berater in der US-russischen Handelskammer. EPA Russische Privatkonzerne suchen und schätzen internationale Erfahrung. Russlands größte Privatbank, Alfa-Bank, hat sich etwa den tschechischen Banker und Ex-Vizechef von General Electric Consumer Finance, Petr Smida, als Aufsichtsratschef geholt. Ihm zur Seite steht der Südafrikaner Andrew Bexter, zuvor Manager in der SUN Group und Oskar Hartmann (im Bild), gebürtiger Deutscher und heute einer der erfolgreichsten E-Commerce-Unternehmer in Russland. Dazu die Russen Alexey Marey bzw. Andrey Elinson, der 2011 vom Weltwirtschaftsforum zu einem Young Global Leader ernannt wurde. Die X5 Group, Russlands größter Handelskonzern und Teil der Alfa Group, agiert wie die Alfa-Bank und hat sich den deutsch-amerikanischen Staatsbürger und Manager Stephan DuCharme als Aufsichtsratschef geholt. Ihm zur Seite stehen erfahrene Manager aus Polen, Großbritannien und Frankreich. (c) Imago stock&people (imago stock&people) Gerade in den moderneren Branchen wie Telekommunikation, die teilweise von alten Rohstoffmagnaten gegründet wurden, hat man sich im Westen umgesehen und Leute mit Know-how ins Management oder zumindest in den Aufsichtsrat geholt. Beim Mobilfunkkonzern Megafon sitzen zahlreiche Ausländer – vielfach aus nordischen Ländern. Der genannte Mischkonzern Sistema, zu dem der zweite große Telekommunikationsgigant MTS gehört, hat sich schon sehr früh Ron Sommer aus Deutschland (zuvor bei der Deutschen Telekom) geholt. EPA Stark auf westliches Know-how – und zwar auffallend stark auf österreichisches – setzen übrigens die großen russischen Stahlkonzerne. Im Aufsichtsrat der Evraz Holding etwa sitzt Karl Gruber, vormals Vizepräsident der Voest Alpine. Im Aufsichtsrat des Stahlkochers NLMK sitzen gleich drei österreichische Top-Manager – Helmut Wieser, Chef von Amag, Voest-Urgestein Franz Struzl (im Bild) und Thomas Veraszto, Senior Adviser der Boston Consulting Group. (c) Bruckberger Welche westlichen Manager russischen Firmen auf die Finger schauen MTS hat in Russland an die 80 Millionen Kunden, inklusive der benachbarten Staaten (Ukraine, Weißrussland, Armenien, Turkmenistan), in denen der Konzern aktiv ist, sind es an die 110 Millionen. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen knapp 70.000 Mitarbeiter. Schüssel wird im Konzern eine besondere Aufgabe zukommen. Und zwar baut man auf die Vernetzungen des Ex-Kanzlers in Europa, wie die "Presse" aus informierten Kreisen erfahren hat. Schüssels Mission als unabhängiger Aufsichtsrat ist weniger international heikel. Das Engagement in der Sistema-Gruppe ist jedoch innerhalb Russlands pikant. Dort nämlich war der MTS-Mutterkonzern Sistema in den vergangenen Jahren in wilde Kämpfe mit dem staatlichen Ölkonzern Rosneft, wo der mächtige Putin-Intimus und Hardliner Igor Setschin das Sagen hat, verwickelt worden. Nachdem der Rosneft-Konzern Sistema zum Verkauf des Ölunternehmens Bashneft gezwungen hatte, hat er später umstrittene Nachzahlungen für angeblich erlittenen Schaden in Milliardenhöhe gefordert, was den Aktienkurs in den Keller rasseln ließ. Am Ende einigte man sich auf 100 Mrd. Rubel, die nun bis Ende März bezahlt worden sind.
"Jetzt ist der Zeitpunkt, die Führung abzugeben", sagte Eva Glawischnig im Mai 2017 - und trat als Grünen-Chefin ab. Nun, nach einem Dreivierteljahr des Pausierens, suchte sie die Öffentlichkeit wieder auf und verkündete ihren Wechsel zum Glücksspielkonzern Novomatic - als Nachhaltigkeitsmanagerin. Mancher Kommentatoren fühlten sich bei dieser Nachricht an Alfred Gusenbauer erinnert. Doch auch andere legten nach der Politik eine zweite Karriere ein. Ein Überblick. (hell) APA/GERT EGGENBERGER Zwei Jahre hielt sich Viktor Klima einst im Kanzleramt, bevor er es wieder räumen musste. Die SPÖ trat damit Anfang des Jahres 2000 nach 30 Jahren Regierungsverantwortung den Weg in die Opposition an - ohne ihren obersten Roten. Klima, damals 52 Jahre alt, aktivierte vielmehr seine Kontakte, die er (unter anderem) aus seiner Zeit als OMV-Manager zur SPD hatte und begann schon im Oktober bei VW Argentinien. Knappe sechs Jahre später avancierte er zum Südamerika-Chef von VW, der er bis 2012 blieb. (c) APA (VOLKSWAGEN ARGENTINA) Im Jahr 2000 erklomm Wolfgang Schüssel von Platz drei in der Wählergunst aus mit Hilfe des Freiheitlichen Jörg Haider die Regierungsspitze. Bald sollte Schwarz-Blau I scheitern und eine Neuauflage kommen. 2006 endete die Kanzlerschaft dann aber doch für den promovierten Juristen: Die SPÖ zog bei der Nationalratswahl an der ÖVP vorbei - Schüssel wurde Klubchef, später einfacher Abgeordneter und zog sich im Herbst 2011 im Zug der Telekom-Affäre gänzlich zurück. Daneben sicherte er sich als Aufsichtsrat des deutschen Energiekonzerns RWE ein einträgliches Nebengeschäft. Weiters ist er Kuratoriumsmitglied der Bertelsmannstiftung. Die Presse Am 8. Februar 2002 legte Susanne Riess (damals noch mit dem Doppelnamen-Zusatz Passer) ihre Posten als FPÖ-Obfrau, Vizekanzlerin sowie Ministerin für öffentliche Leistung und Sport zurück. Seit 2004 ist sie als Generaldirektorin der österreichischen Wüstenrot-Gruppe und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Bundestheater Holding tätig. Acht Jahre lang war sie zudem Verwaltungsrat-Mitglied bei der Privatbank IHAG Zürich AG. Gemeinsam mit Gusenbauer sitzt Riess im Beirat der Signa Holding und war außerdem Mitglied des Aufsichtsrats der ÖIAG. Die Presse Erst ins Kanzleramt und von dort weiter in die Privatwirtschaft, zog es Alfred Gusenbauer (SPÖ). Er baute sich – nach einem Intermezzo bei der Arbeiterkammer Niederösterreich – ein florierendes Consulting-Unternehmen auf und sitzt in etlichen Aufsichtsräten (u.a. bis 2017 bei der RHI). Nebenher gingen sich auch einige Lehrtätigkeiten an den prestigereichen US-Universitäten Brown und Columbia aus. Weiters ist Gusenbauer Europa-Direktor des Investmentfonds Equitas European Funds und berät die WAZ-Mediengruppe in Ost-und Südosteuropafragen. Seit Oktober 2017 ist er im Beirat des Alpenländischen Kreditorenverband. Gusenbauer besitzt auch zwei Beteiligungsfirmen. Aus gesundheitlichen Gründen gab Josef Pröll im April 2011 seinen Abschied aus der Politik bekannt - konkret als Vizekanzler und Finanzminister der ÖVP. Nur einen Monat später fand sich eine neue berufliche Aufgabe für den Niederösterreicher: Er wurde Vorstand der Leipnik-Lundenburger, einem Mischkonzern, der zur Raiffeisen-Gruppe gehört. Im April 2012 übernahm Pröll den Posten des Landesjägermeisters, im September desselben Jahres wurde er Präsident der Ludwig Boltzmann Gesellschaft. Die Presse Etwas länger hat die Jobsuche bei Prölls Vorgänger Wilhelm Molterer gedauert. Der Kurzzeit-ÖVP-Obmann, der 2007 Wolfgang Schüssel nachgefolgt war und nach der verlorenen Neuwahl 2008, die er selbst angezettelt hatte („Es reicht!“), wieder abtreten musste, blieb drei Jahre lang einfacher Abgeordneter der ÖVP. Erst dann fand die Partei einen Job und kürte den früheren Finanzminister zum Vizepräsidenten der Europäischen Investitionsbank. APA/ROLAND SCHLAGER Erst war er Außenminister, dann zusätzlich Vizekanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann. Von 2013 bis August 2014 wechselte Michael Spindelegger das Ressort und fungierte als Finanzminister. Danach wurde es zunächst ruhig um den Niederösterreicher, der seit dem 1. Jänner 2016 Generaldirektor des Internationalen Zentrums für die Entwicklung von Migrationspolitik gerufen wird. Zuvor hatte er als Präsident der Agentur für die Modernisierung der Ukraine - gegründet von dem umstrittenen ukrainischen Oligarchen Dimitri Firtasch - gewerkt. Die Presse Sein Ruf als politischer Überlebenskünstler war durch mehrere Krisen gewachsen, doch der Druck wurde letztlich zu groß: Im Mai 2016 dankte Werner Faymann als SPÖ-Chef und Bundeskanzler ab - und registrierte sich alsbald im Lobbying- und Interessenvertretungsregister mit dem Tätigkeitsbereich Beratung und Public Affairs. Noch im selben Jahr hob er gemeinsam mit seinem ehemaligen Pressesprecher Matthias Euler-Rolle ein Unternehmen aus der Taufe, der Fokus: die Entwicklung von Immobilienprojekten sowie Öffentlichkeitsarbeit. Seit September 2016 fungiert er zudem als ehrenamtlicher UN-Sonderbeauftragter zur Verhinderung von Jugendarbeitslosigkeit. APA/ROBERT JAEGER Er war federführend am Bundespräsidentschaftswahlkampf von Alexander Van der Bellen beteiligt (obwohl dieser offiziell als unabhängiger Kandidat ins Hofburg-Rennen ging). Dann, nach gewonnenem Urnengang im Dezember 2016, trat er ab: Stefan Wallner. Sieben Jahre lang war er Bundesgeschäftsführer der Grünen gewesen. Eine neue Aufgabe fand der ehemalige Caritas-Generalsekretär bei der Erste Group, wo er für den Bereich "Company Transformation and Civil Society Partnerships" verantwortlich zeichnet. Die Presse Klima, Schüssel, Riess und Co.: Karriere nach der Politik
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