Warum ist Orbáns Fidesz noch Teil der Europäischen Konservativen?

Ein Bild aus harmonischeren Zeiten: Orban und Juncker im Jahr 2015.
Ein Bild aus harmonischeren Zeiten: Orban und Juncker im Jahr 2015.REUTERS
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Es mehrt sich Kritik daran, dass die ungarische Fidesz zur EVP gehört - auch von konservativen EU-Abgeordneten. Die Entscheidungsträger zieren sich.

In der Europäischen Volkspartei EVP, dem Bündnis europäischer, konservativer Parteien, entzündet sich mehr und mehr ein Streit um die ungarische Fidesz-Partei. Denn der rechte Flügel gilt als Freund der Orbán-Partei, während der linkere Flügel die autokratischen, EU-kritischen Züge der Partei ablehnen. Und so wird auch mehr und mehr Kritik daran geübt, dass Fidesz noch Teil der EVP ist - auch in der Fraktion im EU-Parlament.

Orbán habe "mehrmals außerhalb akzeptabler Normen gehandelt", sagte der belgische Christdemokrat Pascal Arimont laut der ungarischen Agentur MTI im belgischen Fernsehen. Die EVP sie in dieser Frage "gespalten".

"Derzeit glauben die meisten Mitglieder, dass man den ungarischen Premier nur zügeln kann, wenn man ihn einbindet", sagte Arimont. Er kritisierte, dass Orbáns Wahlkampagne ausgesprochen EU-kritisch und ausländerfeindlich gewesen sei. Deshalb sei es "richtig", die Frage nach der EVP-Mitgliedschaft zu stellen. Zu einem Ausschluss sollte es kommen, wenn sich Budapest weiter weigere, die von der EU-Kommission als europarechtswidrig beanstandeten Gesetze zurückzuziehen. Eine Möglichkeit wäre auch, die Fidesz-Mitgliedschaft in der EVP bis zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in den Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn zu suspendieren.

Die EVP ist auch dank der zwölf Fidesz-Abgeordneten die stärkste Fraktion im Europaparlament. EVP-Fraktionschef Manfred Weber hatte Orbáns Fidesz am Montag zum "klaren Sieg" bei der Parlamentswahl am Sonntag gratuliert und seine Freude geäußert, "weiter an gemeinsamen Lösungen für europäische Herausforderungen zu arbeiten". Der deutsche CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber nahm Orbán gegen "Pauschalkritik" in Schutz, zeigte sich aber auch besorgt über "antisemitische Einschläge" in dessen Politik. Der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas, meinte, dass man sich vor Gratulationsschreiben den Politikstil Orbans genau anschauen müsse. "Der Wahlerfolg rechtfertigt diese Politik, die Sprache, den Antisemitismus, die Korruption und den Nationalismus nicht", betonte er.

Balcerowicz: "Absolut schamlos"

"Es ist ein Hohn, dass die Europäische Volkspartei (den ungarischen Regierungschef Viktor) Orbán nicht längst rausgeschmissen hat. Das ist schamlos, absolut schamlos." Das sagte der polnische Ex-Finanzminister Leszek Balcerowicz im Gespräch mit dem "Kurier" (Mittwochausgabe).

Der liberale Politiker nannte Ungarns rechtsnationalen Premier, dessen Fidesz-Partei am Sonntag zum dritten Mal in Folge mit überwältigender Mehrheit die Parlamentswahl gewonnen hat, mit einem Zitat "kein Ideologe, er ist ein Kleptokrat". Die Ideologie sei für Orbán und seine Entourage nur ein Vorwand, um sich zu bereichern, meinte Balcerowicz.

Den Erfolg Orbáns wie auch der nationalistischen PiS-Regierung in Polen führt er auf die gute wirtschaftliche Konjunktur zurück. "Für ein Land ist es immer katastrophal, wenn schlechte Typen großes Glück haben." Orbáns (von diesem selbst so bezeichnete) "unorthodoxe Wirtschaftspolitik" nennt er "konventionellen Sozialismus": "Unorthodox ist da gar nichts. Er kapert den Staat."

Gegen ein Artikel-7-Verfahren

Der frühere polnische Finanzminister, der mit seinen "Schocktherapien" in den 1990er Jahren als Architekt des wirtschaftlichen Erfolgs seines Landes gilt, sieht gleichzeitig keinen Sinn in einem Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn oder Polen. Dieser könnte im Fall des Falles bis zum Entzug von Stimmrechten gehen, dürfte aber in der derzeitigen Situation vom jeweils anderen der beiden Länder blockiert werden. Die EU-Kommission hatte vergangenen Dezember in einem beispiellosen Schritt bereits ein diesbezügliches Verfahren gegen Polen wegen schwerer Grundrechtsverstöße eingeleitet.

"Ein Artikel-7-Strafverfahren bringt am allerwenigsten, das ist nur ein Politikum", meinte Balcerowicz. Er sieht bessere Chancen im finanziellen Druck auf die beiden Länder, etwa mit den EU-Förderungen. "Der Währungsfonds könnte auch ein Vorbild sein: Er zahlt seine Kredite in Tranchen aus, je nach Reform-Fortschritt. Dasselbe sollte die EU mit ihren Fördergeldern tun."

(APA)

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