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Zeigt sich da ein Riss in der Euro-Zentralbank?

Ewald Nowotny.
Ewald Nowotny.(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Österreichs Notenbank-Chef plädiert für eine Zinswende – und holt sich dafür einen Rüffel von der EZB-Zentrale.

Da hat sich Ewald Nowotny aber schön in die Nesseln gesetzt: Auf seine in einem Agentur-Interview gemachte Ansage, die Europäische Zentralbank werde ihr billionenschweres Staatsanleihen-Ankaufsprogramm wohl bis zum Jahresende auslaufen lassen und sollte auch langsam damit beginnen, die Zinswende einzuleiten, gab es ungewöhnliche Schelte aus dem EZB-Tower in Frankfurt. Die Draghi-Bank schickte einen Sprecher mit der Aussage los, solches sei die Privatmeinung Nowotnys und repräsentiere nicht die Sicht der EZB.

Nicht böse sein, liebe Frankfurter: Nowotny ist stimmberechtigtes Mitglied des EZB-Rats, also des höchsten Entscheidungsgremiums der Euro-Notenbank. Als solches hat er in währungspolitischen Fragen keine „Privatmeinung“. Sondern höchstens eine vom Draghi-Mainstream abweichende. Wenn das so ist, dann haben wir es jetzt wohl mit einer Art Spaltung im EZB-Rat zu tun.

Darauf deuten einige Indizien hin. Etwa dieses: Ernste Differenzen werden in so heiklen Gremien normalerweise intern ausdiskutiert. Nach außen dringen dann nur sorgfältig abgestimmte Statements. Schließlich legen die Finanzmärkte jede noch so kleine Nuancierung in den EZB-Statements auf die Goldwaage. Wenn ein bedächtiges und routiniertes Ratsmitglied wie Nowotny aus dieser Linie ausschert, dann tut er das nicht versehentlich, sondern mit Kalkül. Die Differenzen im Rat sind also offensichtlich gravierend.

Allerdings: Allein ist Nowotny da nicht. Der deutsche Bundesbank-Präsident, Jens Weidmann, denkt ganz ähnlich. Und hat das in den vergangenen Monaten mehrmals auch recht deutlich öffentlich gesagt. Freilich ohne von irgendeinem Sprecher öffentlich gerüffelt zu werden.

Das wäre auch riskant, denn so, wie es aussieht, wird Weidmann 2019 Mario Draghi als EZB-Chef ablösen. Und mit dem künftigen Oberboss verscherzt man es sich nicht so einfach. Gut möglich also, dass es 2019 doch zur von Nowotny angedeuteten Zinswende kommt, auch wenn die „Falken“ in der EZB zahlenmäßig in der Minderheit sind.


Zu wünschen wäre es wohl, denn Nowotny und Weidmann haben einfach recht: Das Schießen aus allen Zins- und Währungskanonen nach dem Draghi-Motto „Whatever it takes“ war zwar die richtige Maßnahme zur Überwindung der schwersten Finanzkrise seit den Dreißigerjahren. Aber die ist weitgehend vorbei. Derzeit herrscht in den meisten Euroländern Hochkonjunktur. Die EZB fährt aber noch immer ihr volles Krisenprogramm, weil ein paar ihrer Mitglieder, etwa Italien, ihre Reform-Hausaufgaben nicht gemacht haben. Und das ist besorgniserregend: Was passiert mit der Eurozone im nächsten Abschwung, wenn sie schon bei Hochkonjunktur vom Krisenmodus nicht wegkommt?

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2018)

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