FPÖ verstärkt nach Orbáns Wahlsieg Bemühungen, eine neue nationalistische Achse mit dessen Regierungspartei Fidesz zu bauen.
Wien/Budapest/Brüssel. Seit Monaten buhlen die Freiheitlichen auffallend um die Gunst Viktor Orbáns. FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus beglückwünschte nun den ungarischen Ministerpräsidenten überschwänglich zu dessen „überwältigendem Erfolg“ bei der Parlamentswahl. Das Schreiben liegt der „Presse“ vor.

Darin zelebriert der Spitzenpolitiker der Regierungspartei einen gemeinsamen konservativ-nationalistischen Europakurs mit Orbán: „Wir Freiheitliche in Österreich verstehen das fulminante Wahlergebnis und das Erreichen der Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament als große Zustimmung zu Ihrer patriotischen, stets um das Wohl des eigenen Landes bemühten Politik, die sich unbeirrt von zeitgeistigen Strömungen und internationalem Gegenwind für den Erhalt und die Pflege traditioneller Werte einsetzt, und sehen in Ihrer Wiederwahl ein deutliches Signal für den Wunsch nach Erhaltung unserer abendländischen Identität in einem gemeinsamen Europa souveräner Vaterländer.“
Gudenus bescheinigt Ungarns Premier „hohe Ideale“, die er mit der FPÖ gemein habe: „Ich bin überzeugt, dass Sie Ihr Amt als Ministerpräsident von Ungarn besonnen, aber auch mit der notwendigen Bestimmtheit ausüben werden. Als Mitglied einer Partei, welche viele Ihrer hohen Ideale, vor allem aber Ihre patriotische Einstellung teilt, wünsche ich Ihnen dabei weiterhin viel Erfolg.“
Am Ende seines Briefs an Orbán zeigt sich der Obmann der österreichisch-ungarischen Parlamentarischen Gruppe zuversichtlich, dass die Regierungspartei Fidesz und die FPÖ ihren Dialog vertiefen. Eine verstärkte Zusammenarbeit hat die FPÖ-Führung mit Ungarns Premier schon bei dessen Wien-Besuch Ende Jänner vereinbart. Orbán empfing damals in der ungarischen Botschaft außer Gudenus auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Infrastrukturminister Norbert Hofer. Seither reiste ein FPÖ-Minister nach dem anderen nach Ungarn, von Hofer über Innenminister Herbert Kickl bis hin zu Verteidigungsminister Mario Kunasek. Auch die parteilose, von der FPÖ nominierte Außenministerin, Karin Kneissl, war in Budapest. Derzeit wird eine Strache-Visite vorbereitet.
In der Europäischen Volkspartei (EVP) wächst die Kritik an Orbán, der diesen Schutzmantel jedoch kaum freiwillig ablegen wird. Im Fall eines Rauswurfs nähme jedoch „Europa der Nationen und der Freiheit“, die rechte Fraktion im EU-Parlament, der außer der FPÖ auch Le Pens Front National sowie die Lega Nord angehören, Fidesz mit Handkuss auf. Möglicherweise baut Orbán vor.
„Bedrohung der Demokratie“
Die grüne Abgeordnete Judith Sargentini, Autorin eines Ungarn-Berichts für das EU-Parlament, schlug ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags vor, das zu einem Stimmentzug führen kann. Denn in Ungarn herrsche eine „systematische Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte“. Im EU-Parlament wird sich dafür kaum die nötige Zweidrittelmehrheit finden. Othmar Karas, ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament und scharfer Kritiker Orbáns, sprach sich indes gegen einen Fidesz-Ausschluss aus der EVP aus. (cu, APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2018)