Israel blickt mit Argusaugen auf die Entwicklungen in Syrien. Es will die Iraner unter allen Umständen im Nachbarland in Schach halten.
Jerusalem. Auf den von Israel annektierten Golanhöhen geben sich in diesen Tagen führende Köpfe aus der Politik und dem Sicherheitsapparat nicht die Klinke, dafür aber die Ferngläser in die Hand, um sich ein Bild zu machen von der Lage an der Grenze zu Syrien. Die Armee ist in höchster Alarmbereitschaft. Grund ist nicht zuvorderst der Schlagabtausch zwischen Washington und Moskau, sondern vielmehr die Sorge vor einem Vergeltungsschlag nach dem Luftangriff auf den Militärflughafen T4 unweit von Homs.
„Israels Verbrechen wird nicht unbeantwortet bleiben“, hatte der frühere iranische Außenminister, Ali Akbar Velajati, in einem Fernsehinterview gedroht. Die Regierung in Jerusalem äußerte sich wie üblich nicht konkret zu dem Angriff. „Ich weiß nicht, wer T4 angegriffen hat“, erklärte Avigdor Lieberman vor Journalisten auf den Golanhöhen. Nur eines sei klar: „Wir werden keine iranische (Militär-)Präsenz in Syrien zulassen. Koste es, was es wolle.“ Israels Regierungschef, Benjamin Netanjahu, hielt die Minister an, aufgrund der „Empfindlichkeit der Umstände“ öffentliche Kommentare zur aktuellen Sicherheitslage zu unterlassen.
Am Mittwochabend telefonierte Netanjahu mit dem russischen Präsidenten, Wladimir Putin, der dem Israeli offenbar dazu riet, sich künftig von Syrien fernzuhalten. Israel solle nichts unternehmen, was die Lage destabilisieren könnte.
Bei dem Luftangriff auf den syrischen Militärflughafen waren Anfang der Woche insgesamt 14Menschen zu Tode gekommen, darunter sieben Angehörige der iranischen Revolutionsgarden. T4 ist israelischen Einschätzungen zufolge „eine der Schlüsselpositionen der iranischen Revolutionsgarden“, wobei dort auch „syrische und russische Luftwaffenaufgebote“ stationiert seien. Syrien warnte ebenfalls vor „ernsthaften Konsequenzen auf den Überfall der israelischen Kampfjets“.
Jakob Amidror, ehemals Nationaler Sicherheitsberater, rechnet indes nicht mit einer Reaktion der Regierung in Damaskus. „Assad wäre verrückt und sollte sich gut überlegen, bevor er gegen Israel vorgeht“, erklärte Amidror während einer telefonischen Pressekonferenz, denn das „könnte das Ende seines Regimes bedeuten“.
Anders verhalte es sich mit dem Iran, der „offene Probleme“ mit Israel habe. Teheran könne versuchen, sich die Eskalation zunutze zu machen, um „im Schatten einer amerikanischen Operation“ Israel anzugreifen, fürchtet Amidror.
Aus israelischer Sicht verkompliziert sich mit dem drohenden militärischen Konflikt der beiden Supermächte die Lage in Syrien. Obschon die Regierung in Jerusalem den Chlorgasangriff auf die syrische Stadt Duma als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bezeichnete, galt die Attacke auf den Luftwaffenstützpunkt bei Homs weder Syrien noch Russland, sondern den iranischen Truppen.
Erklärtes Ziel Netanjahus war es stets, eine dauerhafte Stationierung iranischer Truppen im Nachbarland zu unterbinden. Dabei setzte er seine Hoffnung auch auf Moskau. Die Russen ließen Israel bei den bisher mehreren Dutzend Angriffen, die die israelische Luftwaffe zumeist auf Waffentransporte flog, gewähren. Die Annahme in Jerusalem war, dass man in Moskau zumindest Verständnis für die israelischen Sicherheitsanliegen aufbringe.
Der Angriff Anfang der Woche auf den Militärflughafen T4 bei Damaskus weckte indes einigen Unmut bei den Russen. Das Verteidigungsministerium in Moskau verurteilte den Angriff der „zwei F-15-Kampfjets der israelischen Armee“. Eine offene Auseinandersetzung mit den USA könnte Moskau noch stärker zu einer Positionierung gegen Israel zwingen. Damit würde eine diplomatische Lösung für das Problem der iranischen Truppen in Syrien zur Utopie.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2018)