EU will "sehr kritischen" Türkei-Bericht vorlegen

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Am Dienstag präsentiert EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn eine Bestandsaufnahme der Beitrittskandidaten. Die Türkei wird darin "totales Fehlen von Gewaltentrennung" konstatiert.

Am Dienstag will EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn dem EU-Parlament in Straßburg die "Länderberichte" (ehemals "Fortschrittsberichte") der EU-Kandidatenländer vorlegen. "Ein sehr kritischer Bericht" werde es zur Türkei sein, hieß es gegenüber der APA aus EU-Kreisen. Die Fortschrittsberichte sind eine Art Zeugnis der Beitrittsreife der EU-Kandidatenländer Türkei, Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Albanien und dem Kosovo.

Zur Türkei wird dem Vernehmen nach in dem Bericht ein "totales Fehlen von Gewaltentrennung" festgestellt. Beklagt werden wie in vergangenen Jahren fehlende Rechtstaatlichkeit und Justiz-Unabhängigkeit. Auch die aktuellen Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland sowie die türkische Militäroffensive in Syrien sind dem Vernehmen nach in dem Report kritisch erwähnt. Positiv wird demnach die Zusammenarbeit mit der EU in der Flüchtlingsfrage vermerkt.

Eine Empfehlung der EU-Kommission, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei formal auszusetzen, soll der EU-Bericht aber nicht enthalten. Es soll stattdessen nur auf die bisherige Position der EU verwiesen werden, dass wegen der Lage in dem Land derzeit keine weiteren Beitrittskapitel eröffnet werden. Es ist der erste Bericht der EU-Kommission seit dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli 2016.

Fortschritte in Albanien und Mazedonien

Dagegen wird erwartet, dass die EU-Kommission die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien empfiehlt. Sie konstatierte Fortschritte in Albanien wegen der dort durchgeführten Justizreform.

Auch in Mazedonien, das nunmehr über eine reformwillige pro-europäische Regierung verfüge, welche sich aktiv für gute nachbarschaftliche Beziehungen zu Bulgarien und Griechenland einsetze, sehe man positive Entwicklungen, hieß es in EU-Kreisen weiter. Wegen des ungelösten Namensstreits mit Griechenland hat das Land offiziell noch immer die Bezeichnung "Frühere jugoslawische Republik Mazedonien/FYROM". Seit 2005 empfiehlt die EU-Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Skopje, doch zuletzt war dies an Bedingungen geknüpft.

Serbien und Montenegro "Frontrunner" bei Verhandlungen

Serbien und Montenegro sind die "Frontrunner" in den EU-Beitrittsverhandlungen. Bei beiden Ländern wird die EU-Kommission dem Vernehmen nichtsdestotrotz nach nur wenige Fortschritte bei der Rechtstaatlichkeit feststellen. Größere Anstrengungen seien noch nötig, hieß es in EU-Kreisen. Serbien und Kosovo müssten ein rechtlich verbindliches Abkommen zur Normalisierung ihrer Beziehungen abschließen, welches gut nachbarschaftliche Beziehungen ermögliche.

Im Februar hatte die EU-Kommission den am meisten fortgeschrittenen Balkan-Staaten 2025 als mögliches "indikatives" Beitrittsdatum in Aussicht gestellt, davon soll jetzt in den Berichten keine Rede mehr sein. Größere Probleme bei der EU-Annäherung sieht die EU-Kommission dem Vernehmen nach noch im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina.

(APA)

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