Kritik an Regierung gelöscht

Finanzminister Hartwig Löger
Finanzminister Hartwig Löger APA/HANS PUNZ
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Das Finanzministerium zog eine kritische Stellungnahme zur Verankerung des Staatsziels Wirtschaftswachstum wieder zurück.

Wien. In den USA nennt man es auch den Streisand-Effekt. Und meint damit, dass der Versuch, eine unliebsame Information wieder verschwinden zu lassen, erst recht große Aufmerksamkeit nach sich ziehen kann. Benannt ist das Phänomen nach der Künstlerin Barbra Streisand, die einen Fotografen wegen einer im Internet verbreiteten Luftaufnahme ihres Hauses klagte, worauf das Bild erst recht auf großes Interesse stieß.

In Österreich gibt es noch keinen eigenen Namen für dieses Phänomen. Doch ist es nun das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit passiert, dass eine kritische Stellungnahme aus einem Ministerium gegenüber Regierungsplänen wieder zurückgezogen wurde. Und so erst recht auf großes Interesse stößt. Diesmal geht es um den Plan der türkis-blauen Regierung, das Wirtschaftswachstum in der Verfassung zu verankern.

In einer an das Parlament übermittelten und online veröffentlichten Stellungnahme äußerte das Finanzministerium Bedenken gegen die Neuerung. Es könne „ein möglicher weiterer Zielkonflikt im Verfassungsrang“ geschaffen werden. Der Umweltschutz ist schon Staatsziel. „Zudem könnte die explizite Nennung des Ziels eines wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts bei Nichteinhaltung oder allenfalls auch nur Änderungen im Ausland Klagen gegen die Republik induzieren“, warnte das Ministerium.

Oder auch nicht, denn ein paar Stunden später wurde diese Ansicht wieder zurückgezogen. Ein Sprecher des Finanzministers erklärte das gegenüber orf.at damit, dass die Stellungnahme nur die Meinung einer Fachabteilung wiedergeben habe. Er kündigte eine neue Stellungnahme an, bei der „alle ressortinternen fachspezifischen Meinungen zusammengeführt und angemessen berücksichtigt“ würden.

Erst im Februar hatte das Völkerrechtsbüro des Außenministeriums eine Stellungnahme wieder zurückgezogen. In dieser war davor gewarnt worden, dass der türkis-blaue Plan zur Indexierung der Familienbeihilfe (wer Kinder in EU-Staaten mit günstigeren Lebenshaltungskosten hat, soll weniger bekommen) europarechtswidrig sein könnte. Damals hieß es, die Stellungnahme sei versehentlich zu früh abgeschickt worden. (aich)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2018)

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