Bootsunfall am Wörthersee: Was geschah wirklich?

Symbolbild: Wörthersee.
Symbolbild: Wörthersee.(c) APA
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Vor Gericht hat sich der Hauptangeklagte nicht schuldig bekannt. Das Opfer habe ihm ins Lenkrad gegriffen, woraufhin auch er selbst ins Wasser gefallen sei. Der mitangeklagte Bootsführer widerspricht in einigen Punkten.

Im Prozess um den tödlichen Bootsunfall am Wörthersee im Juni 2017 hat sich der Angeklagte am Dienstag im Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Klagenfurt nicht schuldig bekannt. Sein Verteidiger Alexander Todor-Kostic betonte, das Opfer habe seinem Mandanten ins Steuer gegriffen, dann seien beide über Bord gegangen. Auch der Zweitangeklagte, ein 33-jähriger Klagenfurter, wies die Vorwürfe zurück.

Die Befragung der Angeklagten hat allerdings zwei stark divergierende Beschreibungen des Unfallhergangs ergeben. Während der Erstangeklagte darauf beharrte, das Opfer habe ins Lenkrad gegriffen und er sei keine "Eindrehmanöver" gefahren, widersprach der Zweitangeklagte. Auch im Zeitablauf beim Unfall selbst ergaben sich gravierende Unterschiede.

Erstangeklagter und Opfer "ziemlich beste Freunde"

Der Erstangeklagte betonte bei seiner Vernehmung eingangs, es gehe ihm bei der ganzen Sache nicht gut. Das Ereignis "wird nie mehr aus unseren Köpfen gehen". Man sei 20 Jahre "ziemlich beste Freunde" gewesen, auch gemeinsam auf Urlaub gefahren. Es sei ein großer Fehler gewesen, dass er sich an jenem Nachmittag spontan ans Steuer gesetzt habe, obwohl er Alkohol konsumiert habe, sagte der Angeklagte. "Ich habe mich aber nicht angetrunken gefühlt". Er habe daraus gelernt und trinke nie mehr einen Tropfen Alkohol, wenn er sich ans Steuer eines Autos setze. Der 45-Jährige betonte ebenfalls, er habe kein riskantes Manöver gefahren, vor allem kein einziges "Eindrehmanöver", wie es das Opfer zuvor gefahren sei. "Ich habe dieses Manöver nicht selbst eingeleitet, bin nicht selbst gefahren und habe sicherlich auch nicht den Retourgang eingelegt."

Richter Matthias Polak rekonstruierte in seiner Vernehmung zuerst den Ablauf jenes Tages und den Alkoholkonsum des Angeklagten. Der 45-Jährige hatte ein großes Bier, etwa vier Achtel Rosewein, einen Gin Tonic und ein bis zwei Gläser Rum konsumiert. Danach habe er spontan entschieden, mit dem Boot von Klagenfurt zurück nach Pörtschach zu fahren, da er an diesem Tag noch gar nicht gefahren wäre. Das spätere Opfer habe dabei auf der Motorabdeckung Platz genommen. Unterwegs habe er die Idee gehabt, man könne noch kurz baden gehen und das Boot angehalten. Dann sei man zur Schlangeninsel gekommen, da sei der erste Versuch des späteren Opfers gekommen, ins Lenkrad zu greifen, das habe er noch abwehren können. Bei dessen zweitem Versuch, ins Lenkrad zu greifen, sei es zu dem Unfall gekommen.

"Ich hatte beide Hände von ihm vor mir im Lenkrad, dann hat es nicht einmal eine halbe Sekunde gedauert und ich flog ins Wasser", sagte der Angeklagte. Er sei ziemlich hoch nach links hinten weggeflogen. "Ich bin durchaus weit vom Boot weggeschleudert worden, was für mich ein Glück war." Danach habe er sich unter Wasser orientieren müssen und sei wieder an die Oberfläche gekommen. Als er aufgetaucht sei, habe er das Boot gesehen, etwa in zehn bis 15 Meter Entfernung. Einer der am Boot Verbliebenen habe ihn registriert, kurz darauf sei klar gewesen, dass das Opfer verschwunden war. Der Bootsführer habe dann angeordnet, nach dem Verschwundenen zu tauchen.

Widersprüchliche Aussagen des Erstangeklagten

Staatsanwalt Christian Pirker wollte vom angeklagten Niederösterreicher wissen, ob das Opfer sich an ihm festgehalten habe, als dieser ins Lenkrad gegriffen hätte. Das verneinte der Angeklagte. Als der Eingriff erfolgt sei, habe er gerade in eine leichte Rechtskurve gelenkt, das Opfer habe daraus eine scharfe Rechtskurve gemacht. Ob er die Hand am Gashebel gehabt hatte, bevor er über Bord gegangen sei, könne er nicht mehr sagen. Der Sachverständige wollte dann wissen, warum es dem Angeklagten beim zweitem Griff des Opfers ins Lenkrad nicht mehr gelungen sei, das zu verhindern. Der Angeklagte meinte dazu, das Opfer habe da offenbar wesentlich kräftiger zugepackt.

Der Angeklagte sagte, das Boot sei "katapultartig" nach links gekippt, als er von Bord gegangen sei, zuvor sei es eine scharfe Rechtskurve gefahren. Richter Matthias Polak wies ihn darauf hin, dass er vorher ausgesagt habe, er sei unmittelbar nach dem Griff ins Lenkrad schon durch die Luft geflogen. Der Angeklagte meinte, es sei eine Ausnahmesituation gewesen, als sein bester Freund plötzlich nicht mehr da gewesen sei.

Bootsführer: Angeklagter fuhr "Eindrehmanöver"

Der Bootsführer bekannte sich bei der Vernehmung durch Richter Matthias Polak ebenfalls nicht schuldig. Er sei für den Zustand des Bootes verantwortlich gewesen, habe auch vor der Abfahrt alles kontrolliert. Die erste Strecke sei er gefahren, er sei aber davon ausgegangen, dass der Angeklagte an diesem Tag das Boot noch lenken würde. Der Richter wollte dann wissen, ob er nicht bemerkt hätte, dass zum Essen mehrere Flaschen Wein bestellt worden seien, in Hinblick auf eine mögliche Alkoholisierung des Erstangeklagten. Das verneinte der 33-Jährige, er habe auch keine offensichtlichen Anzeichen von Trunkenheit bemerkt.

Zur Fahrweise des Angeklagten meinte der Klagenfurter, dieser sei zügig gefahren, auch einige Manöver wie Achter, es habe aber nie gefährlich gewirkt. Der Richter hielt ihm darauf seine eigenen Aussagen vor der Polizei vor. Dort habe er ausgesagt, er selbst wäre solche Manöver nie gefahren. Auf Nachfrage konzedierte er auch, dass der Erstangeklagte sogenannte "Power turns" gefahren sei. Gewarnt habe der Bootslenker die Insassen nicht, es hätten sich aber alle festgehalten, auch er selbst.

Einen Versuch des späteren Opfers, dem Angeklagten ins Lenkrad zu greifen, habe er nicht wahrgenommen, erklärte der 33-Jährige auf Nachfrage des Richters. Eine derartige Aktion wäre ihm aller Wahrscheinlichkeit nicht entgangen. Auch hätte er ihn angewiesen, Derartiges zu unterlassen, wenn es vorgekommen wäre. Er sagte auch, der Angeklagte sei "Eindrehmanöver" gefahren, was dieser in seiner Vernehmung bestritten hatte. Dabei habe er aber keinerlei Probleme gehabt, sich festzuhalten und sie daher auch nicht als gefährlich eingestuft.

"Sofort einen riesigen Blutfleck gesehen"

Den Unfall schilderte der 33-Jährige dann so: "Es wurde dann sehr stark eingelenkt, viel stärker als bei den vorherigen Manövern." Dabei sei der Erstangeklagte am Steuer gesessen, sagte er auf Nachfrage des Richters. Er habe sich zuerst noch festhalten können, sei dann aber ins Boot geschleudert worden. Er habe gemerkt, dass das Boot noch in Bewegung gewesen sei. Zuerst habe das Boot geschwankt, "da ist sehr viel Wasser über die Backbordseite eingedrungen". Dann sei das Boot rückwärtsgefahren, und zwar mit hoher Motordrehzahl. "Dann habe ich den Rumpler gehört." Er habe sofort gedacht, es sei etwas in die Schiffsschraube gekommen. Er sei aufgestanden und habe "sofort einen riesigen Blutfleck gesehen". Das Boot sei zu diesem Zeitpunkt noch langsam rückwärtsgefahren, er habe dann den Gashebel sofort auf Null gestellt.

Zwischen dem Einlenkmanöver und dem "Rumpler" vergingen laut dem Klagenfurter nur wenige Sekunden. Als er den Gashebel abgestellt habe, hätte sich der Erstangeklagte im Wasser befunden, etwa zehn bis 15 Meter vom Boot entfernt. Dass er bei der Polizei gesagt habe, der Erstangeklagte hätte den Rückwärtsgang eingelegt, sei eine Annahme von ihm gewesen, gesehen habe er es nicht.

Der angeklagte Niederösterreicher wies die Aussagen des Bootsführers zurück. So habe er nicht einmal gewusst, wie man ein solches "Eindrehmanöver" durchführe und sich erst nachträglich darüber informiert.

Freunde des Angeklagten stützen dessen Version

Die ersten Zeugen waren am Dienstagnachmittag die beiden Freunde des Angeklagten und des Opfers, die mit im Boot gewesen waren. Ihre Aussagen stützten im Wesentlichen die Version des angeklagten 45-jährigen Niederösterreichers. Wie es zu dem Unfall selbst gekommen war, konnten beide nicht sagen. Der Zeuge aus Niederösterreich sagte, es seien verschiedenste Manöver gefahren worden, auch die scharfen Kurven, allerdings sei von Pörtschach nach Klagenfurt nur das spätere Opfer am Steuer gesessen. Die Manöver beschrieb er als "lustig", der Lenker habe das Boot im Griff gehabt. Der angeklagte Niederösterreicher sei flott gefahren, auch Kurven und Manöver, aber nicht so scharf wie das Opfer vorher. Auf den Vorhalt des Richters, dass es hier auch andere Aussagen gebe, meinte er, er sei sich ziemlich sicher.

Das dritte Mitglied des Freundeskreises, ein 50-Jähriger Niederösterreicher, sagte praktisch deckungsgleich aus wie der Zeuge zuvor. Nach Essen und Trinken sei der Erstangeklagte flott, aber nicht riskant mit dem Boot unterwegs gewesen. Auch er sagte aus, dass das Opfer versucht hätte, ans Lenkrad zu kommen. "Er wollte uns da wohl noch unterhalten." Den Unfallhergang schilderte er ganz ähnlich, er sei gestürzt, an ein besonderes Motorgeräusch erinnerte er sich nicht.

Großes Medieninteresse

Der Prozess war unter großem Medieninteresse am Dienstag am Landesgericht Klagenfurt gestartet. Dem 45 Jahre alten Niederösterreicher wird vorgeworfen, bei einer Bootsfahrt am Wörthersee am 2. Juni vergangenen Jahres den Tod eines 44-jährigen Niederösterreichers verschuldet zu haben. Ihm wird grob fahrlässige Tötung vorgeworfen, der Strafrahmen dafür beträgt bis zu drei Jahre Haft.

Richter Matthias Polak eröffnete die Verhandlung mit der Aufnahme der Personalien der beiden Angeklagten, die im Vorfeld beide auf ihrer Unschuld beharrt hatten. Zweitangeklagter ist ein 33 Jahre alter Klagenfurter, er war als Bootsführer an Bord gewesen und hatte dem Niederösterreicher das Steuer überlassen. Ihm wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. Staatsanwalt Christian Pirker erläuterte anschließend den Strafantrag der Anklagebehörde.

(APA)

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