Ökonom sieht Polen robust in Europa verankert.
Wien. Wie wahrscheinlich ist es, dass sich Polen von einer Demokratie zu einer Autokratie nach Russlands Vorbild wandelt? Diese Frage steht zwar nicht im Mittelpunkt des neuen Buchs des Weltbank-Ökonomen Marcin Piatkowski, doch der Wirtschaftswissenschaftler gibt in dem soeben erschienenen Werk „Europe's Growth Champion“ nichtsdestoweniger en passant eine zuversichtlich stimmende Antwort auf diese Frage.
Wachstum ohne Unterlass
Piatkowski widmet sich in seinem Buch der wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte – als einziges europäisches Land wächst Polen seit 26 Jahren ohne Unterlass, und es ist als einziges EU-Mitglied im Finanzkrisenjahr 2009 nicht in die Rezession geschlittert. Der Volkswirt sieht den polnischen Erfolg der Gegenwart in der blutigen Vergangenheit begründet. Zweiter Weltkrieg und kommunistische Diktatur haben demnach jene strukturelle Ungleichheit zertrümmert, die das Land seit dem späten Mittelalter an der Entwicklung gehindert hat.
Die schlechte Nachricht: Der durch die alten gesellschaftspolitischen Verwerfungen entstandene Aufholbedarf in Polen ist nach wie vor immens. Die gute Nachricht: Ist der Übergang zu einer fairen und inkludierenden Gesellschaft einmal geschafft, ist dieser Fortschritt kaum rückgängig zu machen. Eine Voraussetzung, um die Demokratie zu schwächen, ist laut Piatkowski stark wachsende Vermögensungleichheit – doch in Polen läuft dieser Trend in die entgegengesetzte Richtung. Auch gibt es in Polen keine Rohstoffschätze, die (wie etwa in Russland) von einer Clique monopolisiert werden könnten. (la)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2018)