Streit um Opel-Werk Eisenach wird zur Machtprobe

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Um den Sparkurs bei Opel ist ein Machtkampf entbrannt, der sich vor allem am kleinsten Opel-Werk in Eisenach entzündet. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat sich schon zu Wort gemeldet.

Als PSA Peugeot den seit Jahren rote Zahlen schreibenden Autobauer Opel von General Motors übernahm, war eigentlich klar, was kommen würde. Schließlich hatte Vorstandschef Carlos Tavares den französischen Konzern mit einem harten Sanierungskurs aus der Krise geholt. Doch dass der 59-jährige Manager so schnell und mit solcher Vehemenz den Konflikt in Deutschland sucht, hat viele überrascht. "Tavares agiert knallhart. Ihn interessieren die Politiker und Gewerkschafter nicht", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Der gebürtige Portugiese trifft allerdings mit der IG Metall auf eine mächtige Gewerkschaft, die jetzt die Krallen ausfährt. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich schon zu Wort gemeldet. Um den Sparkurs bei Opel ist ein Machtkampf entbrannt, der sich vor allem am kleinsten Opel-Werk in Eisenach entzündet.

Bei der Übernahme im vergangenen Jahr kündigte Peugeot zwar unpopuläre Entscheidungen an. Er sicherte aber zu, bis 2018 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten und sich an Verträge zu halten, die die Opelaner noch mit GM vereinbart hatten. Seit mehreren Monaten ringen PSA und der Betriebsrat nun schon um die künftige Auslastung der Werke. Dabei verlangen die Franzosen Lohnverzicht im Gegenzug für Investitions- und Beschäftigungszusagen. Die IG Metall ist zwar grundsätzlich zu Zugeständnissen bereit, will aber nicht an bestehenden Verträgen rütteln. Sie will eine langfristige Absicherung der Werke über 2020 hinaus aushandeln.

Die Verhandlungen zwischen dem Management und den Arbeitnehmern sind festgefahren. Zuletzt legte PSA deshalb die Zusage für die Produktion eines neuen Fahrzeugmodells in Eisenach auf Eis. Dazu berichteten Medien, die Belegschaft in Eisenach, wo schon seit längerem Kurzarbeit gilt, solle auf nur noch 1000 halbiert werden. Nun macht die Gewerkschaft mobil und lädt die Belegschaften in den deutschen Opel-Werken zu Betriebsversammlungen ein, um über die Verhandlungen mit PSA zu informieren. Der Ton wird schärfer: "Eisenach wird in Geiselhaft genommen um zu erreichen, dass die Arbeitnehmervertreter einknicken", sagt ein Metaller, der anonym bleiben wollte. "Aber selbst wenn sie nachgeben, gibt es keine Garantie, dass die anderen Standorte gesichert werden."

Schützenhilfe von Merkel

Die Gewerkschaft befürchtet einen Dominoeffekt: Sollte sie, wie von PSA verlangt, in Eisenach auf Einkommensbestandteile verzichten, müssten womöglich auch andere Opel-Standorte mit solchen Forderungen rechnen. Die Arbeitnehmerseite hält dagegen, die von PSA gesteckten Kostenziele könnten auch ohne Lohnverzicht erreicht werden. Weitere Zugeständnisse, auch an den anderen Standorten, wären den Beschäftigten nur zuzumuten, wenn PSA Beschäftigungsgarantien bis 2025 gäbe. Doch das lehnt das Unternehmen Insidern zufolge ab. Unternehmenskenner verweisen darauf, dass das Montagewerk in Thüringen wegen der komplexen Fahrzeugarchitektur des früheren Mutterkonzerns GM besonders teuer produziere. Dieser Nachteil falle mit der Bauweise von Peugeot Citroen weg. Zudem habe Opel unter GM Arbeiten ausgelagert, was mit hohen Kosten verbunden sei. Wenn Opel diese Tätigkeiten selbst übernehme, sei das Werk produktiver als vergleichbare Standorte in Frankreich.

Schützenhilfe erhielt die IG Metall von Kanzlerin Merkel. Der französische Mutterkonzern müsse die bei der Opel-Übernahme gemachten Zusagen einhalten, betonte sie bei einem Treffen mit ostdeutschen Ministerpräsidenten. Tavares scheint allerdings nicht auf Dialog mit der Politik zu setzen. Unlängst weigerte er sich, an einem Treffen mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zum Thema Sparkurs bei Opel teilzunehmen.

Über die Verträge mit GM wurde die Auslastung der Werke in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern teilweise bis nach 2020 abgesichert. Dazu zählt laut IG Metall auch, dass in Eisenach zwei Fahrzeuge vom Band rollen sollen. Da Peugeot nun von den Plänen abweiche, den Stadtgeländewagen Mokka in Eisenach zu bauen, müsse für gleichwertigen Ersatz gesorgt werden. Betriebsrat und IG Metall verlangen daher, dass PSA neben dem angeblich bereits zusagten Geländewagen Grandland ein zweites, volumenstarkes Modell in Thüringen bauen lässt. Der Corsa soll künftig in Spanien produziert werden. Wie lange der kleine Adam noch gebaut wird, ist unklar.

"Friss oder stirb"

In einem Brief an die Belegschaft hatte Opel-Chef Michael Lohscheller als Reaktion auf die festgefahrenen Gespräch mit den Arbeitnehmern erklärt, man müsse jetzt über "andere Wege" diskutieren, um die deutschen Werke auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu bringen, "so wie wir das bereits überall in Europa getan haben". Metaller werten das als Drohung und verweisen darauf, dass PSA den Gewerkschaften in Spanien und Großbritannien die Pistole auf die Brust gesetzt habe, um im Gegenzug für Investitionen massive Kostensenkungen zu erreichen. "Das ist die Methode: Vogel friss oder stirb: Deswegen führt man den Konflikt jetzt auch in dieser Art und Weise", sagt ein Gewerkschaftsvertreter. PSA wolle Kostensenkungen möglichst rasch realisieren. Tavares will Opel und die britische Schwestermarke Vauxhall bis 2020 in die schwarzen Zahlen führen.

Nach Einschätzung von Autoprofessor Dudenhöffer verliert Opel wegen einer verfehlten Modellpolitik weiter Marktanteile und steht mit dem Rücken zur Wand. PSA will das Netz von Opel-Autohäusern ausdünnen und hat dazu alle Verträge mit den Händlern gekündigt. Damit habe sich PSA selbst geschadet, urteilt der Leiter des Car-Instituts an der Universität Duisburg-Essen. "Die Motivation nach einer Kündigung, mehr zu verkaufen, ist null." Er halte Werksschließungen nicht für ausgeschlossen. Nach seiner Einschätzung hätten sowohl Eisenach als auch Kaiserslautern einen schweren Stand. Das belege auch die große Nervosität der IG Metall.

(Reuters)

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